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Jesus Tempelvergleich : Beispiel für verklärte Sprache
#46
(06-09-2018, 14:00)Kreutzberg schrieb: Eine interessante Überlegung führt mich zu einer gewagten Hypothese : eine schwammige Formulierung kennen wir ja auch heute noch, sogar in Gesetzestexten sind diese zu finden !!! - Es ist m. E. so, dass wer konkret wird  sich leider auch angreifbar macht. Der Schreiber der dagegen wage bleibt in seinen Aussagen, lässt natürlich Raum für Interpretationen. Vor diesem Hintergrund habe ich den Eindruck, dass dieses Manko bewusst in Kauf genommen wurde.

1.)  Eine schwammige Formulierung ist keine verklärte Sprache.

2.)  Noch einmal: Die christliche Religion lehrt, daß Jesus nach seiner Auferstehung einen verklärten Laib hatte. 
Das Wort verklären ist mittelhochdeutsch und hat eine positive Bedeutung, vgl. den Duden im Internet
Daß die Sprache Jesu "verklärt" war, habe ich noch nirgends gelesen. 
Vielleicht können wir uns darauf einigen, daß die Sprache Jesu "bildhaft" war
Damit wir in den Begriffen sauber sind.

3.)  Ja, es stimmt, auch in von Parlamenten erzeugten Gesetzestexten findet man bisweilen schwammige Formulierungen. Diese gelten als undefinierte Gesetzesbegriffe und sind verfassungswidrig, da sie dem Staat (Behörde, Richter) zur Willkür bei der Gesetzesanwendung ermächtigen.

4.)  Zur Vermeidung der Angreifbarkeit: dies kann sehr wohl der Fall gewesen sein. Die vier Evangelisten waren sehr exponiert und konnten nicht Klartext schreiben. 
Allerdings ist das für spätere Bibelleser eine unzumutbare Hürde.
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#47
(06-09-2018, 14:00)Kreutzberg schrieb: Das verstehe ich nicht ganz !!!

> nach mir vorliegenden Informationen sind 3 Evangelien inhaltlich "fast" identisch, weshalb man diese auch als synoptische Evangelien bezeichnet. Vor diesem Hintergrund ist die Vielstimmigkeit der christlichen Botschaft nach meiner Ansicht auch stark übertrieben. Es sind nach meiner Wahrnehmung vielmehr "Nuancen" die offenkundig den Unterschied ausmachen.

Die sogenannten 3 synoptischen sind drei verschiedene Bearbeitungen ein und desselben Texts. Trotzdem wurde diese Bearbeitung dafuer genutzt, verschiedene theologische Modelle zu begruenden und unterschiedliche Ideen zur Natur von Jesus zu erarbeiten, und Matthaeus und Lukas haben unterschiedliche Ergaenzungen zum Text des Markus, die zum Teil wiederum fuer sich eine gemeinsame Quelle haben.

Wie gesagt, im Markus-Evangelium wird Jesus erst durch die Taufe von Gott "adoptiert", indem der Geist Gottes in ihn einfaehrt und ihn von diesem Punkt an steuert ("er (der Geist) trieb ihn (Jesus) in die Wueste"). Deshalb braucht das Markus-Evangelium auch keine Geburtsgeschichten, da das Vorleben Jesu den Autor nicht die Bohne interessiert. Matthaeus und Lukas dagegen sehen die "Entstehung" von Jesus Christus schon in seiner besonderen Geburt. Beide erfanden unterschiedliche Geschichten, um diese theologische Neuerung zu begruenden. Johannes dagegen hat einen (Jesus?) Christus, der von der Erschaffung der Welt her existiert hat, weshalb er die Taufe Jesu in seinem Text entfernt hat.

(06-09-2018, 14:00)Kreutzberg schrieb: Eine interessante Überlegung führt mich zu einer gewagten Hypothese : eine schwammige Formulierung kennen wir ja auch heute noch, sogar in Gesetzestexten sind diese zu finden !!! - Es ist m. E. so, dass wer konkret wird  sich leider auch angreifbar macht. Der Schreiber der dagegen wage bleibt in seinen Aussagen, lässt natürlich Raum für Interpretationen. Vor diesem Hintergrund habe ich den Eindruck, dass dieses Manko bewusst in Kauf genommen wurde.

Nur das Markus-Evangelium arbeitet mit "Geheimnissen". Die anderen versuchen zu erklaeren. Das Johannes-Evangelium ist ja unter anderem deshalb so beliebt, weil dort Jesus in langen Monologen haarklein alles erklaert.

Ich denke, die Evangelien sind heutzutage sogar viel einheitlicher als sie es bei ihrer Entstehung urspruenglich waren. Ich halte es fuer recht wahrscheinlich, dass unser Lukas-Evangelium eine "orthodoxe" Ueberarbeitung des Evangeliums, das Marcion benutzte, war. Die Indizienlage dafuer halte ich fuer ueberzeugend.

Der Kirchenvater Irenaeus hat die einzelnen Evangelien ja verortet. Er ordnet das Matthaeus-Evangelium den Ebionitern zu (diese hielten Jesus fuer einen gewoehnlichen Menschen, einen Propheten halt), das Lukas-Evangelium den Markioniten (diese lehnten den Gott Israels als "Demiurg" ab und sahen Jesus als Boten eines anderen, unbekannten Gottes), das Markus-Evangelium den Doketisten (diese lehrten, dass Christus kein Mensch aus Fleisch und Blut war, sondern ein Geist, der auf der Erde nur die Form eines Menschen angenommen hatte) und das Johannes-Evangelium den Valentianern (diese folgten wohl einem komplizierten gnostischen Modell, das sich nur noch schwer rekonstruieren laesst).

Zum Teil sind diese Zuordnungen heutzutage nur noch schwer nachzuvollziehen. Dass alle Evangelien Spuren von Ueberarbeitungen haben, ist klar. Das Markus-Evangelium hat aber keine doketistische Ausrichtung (mehr?), aber immer noch eine adoptionistische/separationistische (der Geist "Christus" faehrt bei der Taufe in Jesus ein und verlaesst ihn bei Jesu Tod wieder). Wer weiss, vielleicht erklaert der Zusammenhang mit Doketismus, warum irgendjemand das Ende des Evangeliums hat verschwinden lassen. Dass das Lukas-Evangelium Beziehungen zu den Markioniten hat, ist klar und vielfach belegt. Proto-gnostische Anteile lassen sich im Johannes-Evangelium immer noch finden, und dieses zeigt noch sehr deutliche Spuren, dass es aus verschiedenen Texten von unterschiedlichen Autoren zusammengefuegt wurde, also wohl "entschaerft". Das Matthaeus-Evangelium wiederum sieht eigentlich recht einheitlich aus, von den unterschiedlichen Quellen (Markus-Evangelium, Q, etc.) mal abgesehen, so dass man nicht so recht weiss, warum das jetzt gerade ebionitisch gewesen sein sollte.
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#48
(06-09-2018, 19:29)Ulan schrieb: Der Kirchenvater Irenaeus hat die einzelnen Evangelien ja verortet. Er ordnet das Matthaeus-Evangelium den Ebionitern zu (diese hielten Jesus fuer einen gewoehnlichen Menschen, einen Propheten halt), das Lukas-Evangelium den Markioniten (diese lehnten den Gott Israels als "Demiurg" ab und sahen Jesus als Boten eines anderen, unbekannten Gottes), das Markus-Evangelium den Doketisten (diese lehrten, dass Christus kein Mensch aus Fleisch und Blut war, sondern ein Geist, der auf der Erde nur die Form eines Menschen angenommen hatte) und das Johannes-Evangelium den Valentianern (diese folgten wohl einem komplizierten gnostischen Modell, das sich nur noch schwer rekonstruieren laesst).

Zum Teil sind diese Zuordnungen heutzutage nur noch schwer nachzuvollziehen. Dass alle Evangelien Spuren von Ueberarbeitungen haben, ist klar. Das Markus-Evangelium hat aber keine doketistische Ausrichtung (mehr?), aber immer noch eine adoptionistische/separationistische (der Geist "Christus" faehrt bei der Taufe in Jesus ein und verlaesst ihn bei Jesu Tod wieder). Wer weiss, vielleicht erklaert der Zusammenhang mit Doketismus, warum irgendjemand das Ende des Evangeliums hat verschwinden lassen. Dass das Lukas-Evangelium Beziehungen zu den Markioniten hat, ist klar und vielfach belegt. Proto-gnostische Anteile lassen sich im Johannes-Evangelium immer noch finden, und dieses zeigt noch sehr deutliche Spuren, dass es aus verschiedenen Texten von unterschiedlichen Autoren zusammengefuegt wurde, also wohl "entschaerft". Das Matthaeus-Evangelium wiederum sieht eigentlich recht einheitlich aus, von den unterschiedlichen Quellen (Markus-Evangelium, Q, etc.) mal abgesehen, so dass man nicht so recht weiss, warum das jetzt gerade ebionitisch gewesen sein sollte.


Interessante Story! Das ist wirklich sehr interessant.

Hat der Kirchenvater Irenäus die einzelnen Evangelien tatsächlich den von Dir genannten vier Richtungen  (Ebionitern, Markioniten, Doketisten, Valentianern) "zugeordnet"?

Wie hat Irenäus das formuliert?
Das ist doch eine schwerwiegende Unterstellung, daß er das so gemeint habe. 

Vielleicht hat Irenäus irgendeine Andeutung fallen gelassen, daß etwa die Ebioniter gerne das Matthäus-Evangelium lesen - aber ist es zulässig, daraus den Umkehrschluß zu ziehen, daß Irenäus das Matthäus-Evangelium den Ebionitern, "die Jesus für einen gewöhnlichen Menschen hielten" zuordnete ?
Ich denke, das ist schon sehr weit hergeholt . . .

Hätte Irenäus das tatsächlich gesagt, dann wäre er nicht zum "Kirchenvater" erklärt worden, sondern zum Heräsiarchen und Ketzerführer!

Aber spannend zu lesen sind Deine Ausführungen schon.  Wenn Du meinst, daß man das Ende des Markus-Evangeliums "hat verschwinden lassen" - dann ist das eine sehr gepfefferte Theorie

Nun würde mich interessieren, wie Du die Entstehung der Geheimen Offenbarung (Apokalypse) des Schreibers namens Johannes siehst. 
Gerade diese Schrift scheint mir sehr auffällig und ich kann mir sehr schlecht vorstellen, daß der Evangelist Johannes der Schreiber war (wenn man schon vom Stil spricht)
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#49
Das "Zugeordnet" ist im Sinne von "haben ihre Lehren auf diesen Evangelien basiert" gemeint. Die Formulierung von Irenaeus ist folgendermassen (Contra Haereses, Buch III, Kapitel 11, Abschnitt 7):

" Die Zuverlässigkeit der Evangelien aber ist so groß, daß selbst die Häretiker für sie Zeugnis ablegen und zur Bestätigung ihrer Lehre sich auf sie zu berufen versuchen. Die Ebioniten, die allein das Evangelium nach Matthäus gebrauchen, werden gerade hieraus überführt, daß sie über den Herrn Falsches lehren. Markion aber beschneidet das Evangelium nach Lukas; trotzdem wird er aus dem, was bei ihm noch übrig bleibt, überführt, daß er den einzig wahren Gott lästert. Die aber Jesum von Christus trennen und behaupten, daß Christus leidensunfähig gewesen sei, Jesus aber gelitten habe, berufen sich auf das Evangelium nach Markus; wenn sie jedoch dasselbe mit Liebe zur Wahrheit lesen, können sie sich verbessern. Die Valentinianer aber benutzen vorzüglich auf das ausgiebigste das Evangelium des Johannes, um ihre Vermählungen nachzuweisen; doch gerade aus diesem kann man nachweisen, daß sie Falsches lehren, wie wir im ersten Buche gezeigt haben. Da also unsere Gegner uns das Zeugnis geben und unsere Evangelien benutzen, so ist unsere Beweisführung in dieser Sache stichhaltig und wahr."

Irenaeus streitet natuerlich die Schluesse, die die einzelnen Gruppen aus den entsprechenden Evangelien ziehen, ab. Trotzdem, wenn man mal seine Polemik abzieht, bleibt er dabei, dass die jeweiligen Gruppierungen diese Evangelien ausschliesslich nutzten, und dass sie ihre entsprechenden Lehren aus eben diesen Evangelien ziehen und fuer diese Evangelien Zeugnis ablegen. Er meint halt, "wahren Glauben" koenne man nur finden, wenn man alle vier Evangelien gleichzeitig benutzt, weil einzelne Evangelien "falsch" (also nicht im Sinne von Irenaeus) ausgelegt werden.

Nun ist es aber so, dass die Evangelien zum Teil diese Dinge, die Irenaeus (und mit ihm die Kirche) fuer falsch haelt, immer noch sagen. Das Markus-Evangelium kann man tatsaechlich immer noch so lesen, wie Irenaeus es hier beschreibt. Zum Teil haben die Gruppierungen aber wohl unterschiedliche Versionen benutzt. Irenaeus spricht das ja zumindest fuer die Markioniten an. Er ist der erste, der behauptet, Markion habe das Lukas-Evangelium "beschnitten", aber seine Beweisfuehrung halte ich fuer wenig ueberzeugend. Sicher ist es, dass Markions Version des Lukas-Evangeliums ziemlich anders aussah.

Was das Ende des Markus-Evangeliums angeht, so ist das ein eigenes Thema fuer sich. Deine Bibel sagt Dir wahrscheinlich, dass das sogenannte "lange Ende", das oft in den Bibeln abgedruckt ist, heute als spaetere Ergaenzung gilt. Das fuehrt aber dazu, dass unser Markus-Evangelium sehr seltsam endet, so ganz ohne Auferstehungserscheinungen und mit einer Aussage, dass niemand jemals irgendetwas ueber das leere Grab Jesu verraten hat. Der letzte Satz lautet so:

"8 Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemandem etwas davon; denn sie fürchteten sich." Schluss.

Was die Offenbarung des Johannes angeht, geht man heute allgemein davon aus, dass nicht der Evangelist der Autor war. Wortschatz und Stil, aber auch die darin zum Ausdruck kommende Theologie, haben keinerlei Uebereinstimmung mit denen des Johannes-Evangeliums. Schon in der Antike wurde der Text ja durchaus anderen Leuten zugeschrieben und war deshalb in seiner Kanonizitaet umstritten.


Ganz allgemein wuerde ich uebrigens davon abraten, wegen "Haeresien" in Aufregung zu verfallen. Irenaeus, der um 180 n.Chr. wirkte, ist im Prinzip der erste christliche Schreiber, der dem Christentum eine historische Dimension zu verleihen versucht. Er versucht sich also geschichtlichen Entwicklungen anzunaehern. Er ist auch der erste Christ, der die Evangelien bei ihren bekannten Namen nennt. Noch Justin der Maertyrer, der um 160 n.Chr. schreibt, tut das nicht. Insofern wuerde ich saemtliche Aussagen des Irenaeus zur Evangeliengeschichte mit einer ordentlichen Prise Salz lesen. Seine "Haeresien" waren sozusagen die Stroemungen der fruehen Geschichte des Christentums.

Uebrigens gilt solche Vorsicht ganz allgemein, so auch bei den Begriffen "Haeresie" oder "Maertyrer". "Haeresie" bezeichnet eigentlich eine philosophische Stroemung, also ganz neutral eine Gruppe, die eine bestimmte Ansicht vertritt. "Maertyrer" heisst schlicht "Zeuge". Man muss wirklich ueberlegen, wann die Begriffe diese Bedeutungsverengung erfuhren, wie sie im spaeteren Christentum zu sehen ist.
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#50
(07-09-2018, 19:49)Ulan schrieb: Deine Bibel sagt Dir wahrscheinlich . . .

Es gibt nicht "Deine Bibel"
Ich verwende unterschiedlichste Bibeln, um objektiv zu sein und im Sinne der Wahrheitsfindung tätig zu sein.
(07-09-2018, 19:49)Ulan schrieb: Das fuehrt aber dazu, dass unser Markus-Evangelium sehr seltsam endet, so ganz ohne Auferstehungserscheinungen und mit einer Aussage, dass niemand jemals irgendetwas ueber das leere Grab Jesu verraten hat. Der letzte Satz lautet so:

"8 Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemandem etwas davon; denn sie fürchteten sich." Schluss.

Ich will mich da nicht einmischen - aber wenn da von "Schrecken und Entsetzen" beim Grab die Rede ist, dann schlägt das in die Kerbe der Auferstehungsgerüchte. 

Und der Nachsatz "und sie sagten niemandem etwas davon" macht das Ganze noch verdächtiger!

Auffällige Indizien dafür, daß es keine normale Bestattung war
(07-09-2018, 19:49)Ulan schrieb: Was die Offenbarung des Johannes angeht, geht man heute allgemein davon aus, dass nicht der Evangelist der Autor war. Wortschatz und Stil, aber auch die darin zum Ausdruck kommende Theologie, haben keinerlei Uebereinstimmung mit denen des Johannes-Evangeliums.

Finde ich sehr richtig!

Endlich sagt einer die Wahrheit  Eusa_clap
(07-09-2018, 19:49)Ulan schrieb:  Ganz allgemein wuerde ich uebrigens davon abraten, wegen "Haeresien" in Aufregung zu verfallen.


Das denke ich auch.  Schon Jesus war ein Häretiker
αἵρεσις bedeutet Anschauung, Schule
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#51
(07-09-2018, 21:23)Sinai schrieb: Es gibt nicht "Deine Bibel"
Ich verwende unterschiedlichste Bibeln, um objektiv zu sein und im Sinne der Wahrheitsfindung tätig zu sein.

Tut nichts zur Sache. Im Prinzip sagen dies alle gaengigen Bibeln an der Stelle. Mir faellt jetzt kein Gegenbeispiel ein.

(07-09-2018, 21:23)Sinai schrieb:
(07-09-2018, 19:49)Ulan schrieb: Das fuehrt aber dazu, dass unser Markus-Evangelium sehr seltsam endet, so ganz ohne Auferstehungserscheinungen und mit einer Aussage, dass niemand jemals irgendetwas ueber das leere Grab Jesu verraten hat. Der letzte Satz lautet so:

"8 Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemandem etwas davon; denn sie fürchteten sich." Schluss.

Ich will mich da nicht einmischen - aber wenn da von "Schrecken und Entsetzen" beim Grab die Rede ist, dann schlägt das in die Kerbe der Auferstehungsgerüchte. 

Und der Nachsatz "und sie sagten niemandem etwas davon" macht das Ganze noch verdächtiger!

Auffällige Indizien dafür, daß es keine normale Bestattung war

Das alles betrifft ueberhaupt nicht meine Aussage. Das Evangelium endet mit dem Satz, dass die Frauen niemandem etwas von dem Vorgefallenen sagten. Dann ist Schluss. Von Auferstehungserscheinungen Jesu steht im Text nichts. Deinen ganzen "Verdacht" beziehst Du nur aus der Kenntnis der anderen Evangelien - oder den verschiedenen, spaeter von verschiedenen anderen Leuten angefuegten Enden. Dass solch ein Ende zum Spinnen von Geschichten anregt, ist aber richtig, vielleicht sogar beabsichtigt.

Wie auch immer, als Schluss ist das seltsam. Deshalb wurden da ja spaeter oft die vielen verschiedenen anderen Enden angefuegt. Es waere jedenfalls interessant zu wissen, ob es da urspruenglich weiterging und was da eigentlich stand, da das Markus-Evangelium ja bei den meisten Neutestamentlern als das aelteste erhaltene gilt.

(07-09-2018, 21:23)Sinai schrieb: Endlich sagt einer die Wahrheit  Eusa_clap

Was heisst hier "endlich"? Das sagen Neutestamentler doch schon seit Generationen, und einzelne Kirchenvaeter hatten das auch gesagt. Die Kirche hat halt anders entschieden, und ich glaube, dass zumindest die RKK die damalige Entscheidung auch bedauert.
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#52
(07-09-2018, 19:49)Ulan schrieb: Irenaeus, der um 180 n.Chr. wirkte, ist im Prinzip der erste christliche Schreiber, der dem Christentum eine historische Dimension zu verleihen versucht. Er versucht sich also geschichtlichen Entwicklungen anzunaehern. Er ist auch der erste Christ, der die Evangelien bei ihren bekannten Namen nennt. Noch Justin der Maertyrer, der um 160 n.Chr. schreibt, tut das nicht. Insofern wuerde ich saemtliche Aussagen des Irenaeus zur Evangeliengeschichte mit einer ordentlichen Prise Salz lesen. 

Ist das mit der "Prise Salz" betreffend "saemtliche Aussagen des Irenaeus zur Evangeliengeschichte" nun eher als Lob oder Tadel zu verstehen ?
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#53
(08-09-2018, 15:36)Sinai schrieb: Ist das mit der "Prise Salz" betreffend "saemtliche Aussagen des Irenaeus zur Evangeliengeschichte" nun eher als Lob oder Tadel zu verstehen?

Was ich meinte, ist, dass man sich klar machen muss, dass Irenaeus keinen Zugang mehr zu Leuten hatte, die Genaueres wussten. Wie unsereiner versuchte er Sinn aus Schriften und Ueberlieferungen zu machen. Ich habe nicht den Eindruck, als haette er irgendwelches spezielles Wissen gehabt. Auf Irenaeus wiederum berufen sich alle spaeteren Autoren, die sich mit dem Thema befassen. Er hat also sozusagen das kirchliche Bild der Evangeliengeschichte bestimmt.

Was den Ursprung der Evangelien angeht, zitiert erst Eusebius von Caesarea um 320 den (uns nicht erhaltenen) Papias (um 120) als fruehere Quelle. Dieser Papias aeussert sich etwas kryptisch zu Schriften von Markus und Matthaeus. Ob er das Johannes-Evangelium kennt, verraet er nicht. Lukas erwaehnt er mit keinem Wort, bzw., ich sehe nicht, warum Eusebius uns nicht berichtet haette, dass Papias Lukas bezeugt, wenn dieser das getan haette. Unsere frueheste Quelle zeichnet also ein sehr lueckenhaftes und konfuses Bild. Eusebius haelt von Papias uebrigens nichts, so dass man nicht ausschliessen kann, dass da auch Dinge standen, die er gar nicht zitieren wollte.

Wie auch immer, das Christentum vor Irenaeus ist seltsam geschichtslos, was seine speziellen Texte angeht.
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#54
(08-09-2018, 16:47)Ulan schrieb:
(08-09-2018, 15:36)Sinai schrieb: Ist das mit der "Prise Salz" betreffend "saemtliche Aussagen des Irenaeus zur Evangeliengeschichte" nun eher als Lob oder Tadel zu verstehen?

Was ich meinte, ist, dass man sich klar machen muss, dass Irenaeus keinen Zugang mehr zu Leuten hatte, die Genaueres wussten.

. . . Papias aeussert sich etwas kryptisch zu Schriften von Markus und Matthaeus. Ob er das Johannes-Evangelium kennt, verraet er nicht. Lukas erwaehnt er mit keinem Wort, bzw., ich sehe nicht, warum Eusebius uns nicht berichtet haette, dass Papias Lukas bezeugt, wenn dieser das getan haette. 


Irenäus starb um 200, er wirkte stark um 188

Um 130 starben die letzten Apostelschüler (Apostel - Wikipedia)
Somit kann ich mir schon gut vorstellen, daß Irenäus Leute kannte, die Genaueres wußten
Irenäus wurde um 135 geboren, als er 18 Jahre alt war, schrieb man das Jahr 153

Seit dem Tod des letzten Apostelschülers waren somit erst 23 Jahre vergangen! Das ist doch kein Zeitraum
Die Schüler der Apostelschüler wirkten noch, und die wußten wohl sicher sehr viel!

Seit 1914 sind schon mehr als 100 Jahre vergangen und dennoch ist die Erinnerung an den Weltkrieg in den Familien voll vorhanden. Da hat keiner irgendeine Chance, ein Märchen zu erzählen

Irenäus wuchs in einer Zeit auf, als die Erinnerung ans Urchristentum noch voll vorhanden war. Und sein Vorgänger in Lyon, der dortige Bischof Pothinus wurde 177 in der Christenverfolgung ein Märtyrer
Damals war alles noch ganz frisch!

----

Zu Papias :
Ich fand folgende interessante Aussage in Papias von Hierapolis - Wikipedia 
"Laut Eusebius von Caesarea schrieb Papias über Matthäus: 
„Matthäus hat in hebräischer Sprache die Reden zusammengestellt; ein jeder aber übersetzte dieselben so gut er konnte.“"

Dies würde bedeuten, daß Matthäus in Hebräisch schrieb.
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#55
(08-09-2018, 17:21)Sinai schrieb: Irenäus starb um 200, er wirkte stark um 188

Um 130 starben die letzten Apostelschüler (Apostel - Wikipedia)
Somit kann ich mir schon gut vorstellen, daß Irenäus Leute kannte, die Genaueres wußten
Irenäus wurde um 135 geboren, als er 18 Jahre alt war, schrieb man das Jahr 153

Seit dem Tod des letzten Apostelschülers waren somit erst 23 Jahre vergangen! Das ist doch kein Zeitraum
Die Schüler der Apostelschüler wirkten noch, und die wußten wohl sicher sehr viel!

Das aendert doch alles gar nichts daran, dass Irenaeus niemanden mehr fragen konnte, als er seine Texte verfasste. Man muss seine Texte doch nur lesen, um zu erkennen, dass er oft im Trueben fischt und spekuliert.

(08-09-2018, 17:21)Sinai schrieb: Seit 1914 sind schon mehr als 100 Jahre vergangen und dennoch ist die Erinnerung an den Weltkrieg in den Familien voll vorhanden. Da hat keiner irgendeine Chance, ein Märchen zu erzählen

Da liegst du komplett falsch. Natuerlich wird unsere Erinnerung heutzutage durch Fernsehen und vielfache Geschichtsbuecher lebendig erhalten, aber bei der eigenen Familiengeschichte sieht es doch oft duester aus. Ich kann niemanden mehr fragen, wenn etwas unklar ist. Ich hatte mal eine Anfrage von jemandem, der Ahnenforschung betreibt, und der wollte etwas ueber meinen Urgrossvater in vaeterlicher Linie wissen, und ich musste feststellen, dass ich ueber den nichts weiss. Meine Mutter hatte eine vage Spur, aber das war's auch.

Wir brauchen uebrigens gar nicht so weit zurueckzugehen. Mit meiner Mutter hatte ich bei meinem letzten Besuch eine Diskussion ueber ein Vorkommnis am Ende des 2. Weltkrieges in Daenemark, und sie zweifelte die Ergebnisse einer daenischen Studie, die ich ihr berichtete, an, weil sie das selbst ganz anders bezeugen kann. Der Knackpunkt war aber, dass ich ihr eindeutig nachweisen konnte, dass ihre Erinnerungen gar nicht stimmen konnten. Das ist alles sehr lange her, sie war noch sehr jung, und das ist kein Beinbruch, aber so ist das mit unserem Gedaechtnis. Geschichten veraendern sich naemlich mit jeder Wiedererzaehlung.

(08-09-2018, 17:21)Sinai schrieb: Irenäus wuchs in einer Zeit auf, als die Erinnerung ans Urchristentum noch voll vorhanden war. Und sein Vorgänger in Lyon, der dortige Bischof Pothinus wurde 177 in der Christenverfolgung ein Märtyrer
Damals war alles noch ganz frisch!

Da war gar nichts frisch. Da machst Du Dir selbst etwas vor. Menschliche Erinnerungen gehen meist bestenfalls zwei Generationen zurueck.

(08-09-2018, 17:21)Sinai schrieb: Zu Papias :
Ich fand folgende interessante Aussage in Papias von Hierapolis - Wikipedia 
"Laut Eusebius von Caesarea schrieb Papias über Matthäus: 
„Matthäus hat in hebräischer Sprache die Reden zusammengestellt; ein jeder aber übersetzte dieselben so gut er konnte.“

Dies würde bedeuten, daß Matthäus in Hebräisch schrieb.

Irgendwelche "Reden". Das Problem mit den Aussagen des Papias ist, dass man daraus unsere Evangelien gar nicht erkennen kann. Es gibt einen Grund, warum niemand die Aussagen des Papias fuer bare Muenze nimmt. Manche Neutestamentler haben gemutmasst, dass so etwas wie das Q-Dokument gemeint gewesen sein koennte.
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