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beschneidungsverbot, die dritte - wieviel pluralismus ist es, bitte?
#1
ich habe bereits einmal aus der taz zitiert, möchte das hier noch einmal machen. die autorin der folgenden zeilen ist hilal sezgin, türkischstämmige säkulare muslima, profilierte journalistin und jeglichen fundamentalismus unverdächtig:

Für den WDR hatte ich einen Kommentar zur Beschneidungsfrage geschrieben. Ich begann damit, dass seit einigen Jahren alles, was muslimischer Brauch sei, mit Verdacht überschüttet und sorgfältigst auf seine Verbietbarkeit geprüft wird. Dann fuhr ich im zweiten Absatz fort: „...die Sitte der Beschneidung empfinden viele christlich oder atheistisch sozialisierte Menschen als ,barbarisch'. – Dieser Vorwurf des Barbarismus wird immer gern da erhoben, wo man den Balken im Auge des anderen sieht und im eigenen nicht.

Es soll Leute geben, Christen!, die sich regelmäßig treffen, um vom Leichnam ihres Heilands zu essen. Es soll Leute geben – normale Bürger! – die tote Kuh- und Schweinebabies auf den Grill werfen! Es soll Leute geben, die zu unbekannten sehr jungen Frauen in einen Wohnwagen gehen und denen für wenig Geld ihren (unbeschnittenen oder beschnittenen) Penis reinrammen. Meine Güte, was finde ich nicht alles barbarisch! Ich fürchte nur, in einer pluralistischen Gesellschaft kann das allein kein Argument sein. Kommen wir also zu den Argumenten?“

Der Redakteur rief an und teilte mir etwas verlegen mit, dass es da ein gewisses Problem gebe. Ich hatte es schon fast befürchtet: Sicher mochte man den Satz mit dem Rammen nicht. Auch ich selbst hatte gezögert: War diese Sprache nicht etwas obszön? Andererseits: Obszön war doch eigentlich nicht das von mir verwendete Wort, sondern die Praxis, um die es geht. Aber das war gar nicht die problematische Stelle.

Der Satz, der gestrichen werden musste, war der mit dem Abendmahl. Es gibt nämlich in NRW ein Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk Köln von 1985, wo es heißt: „Die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung sind zu achten.“

Diese hängen mit der „besonderen Bedeutung des Rundfunks, speziell des öffentlich-rechtlichen, für die Gesellschaft“ zusammen. Und leider könnte ein Hörer aus meinen Sätzen schließen, dass ich das Abendmahl barbarisch fände. Nun, eigentlich ist unschwer zu erkennen, dass es sich um eine Polemik handelt, eine Kaskade zugespitzter Behauptungen.

Tatsächlich finde ich das Abendmahl nicht barbarisch, ja, nicht einmal unappetitlich. Erstens habe ich in katholischer Religion Abitur gemacht und zweitens ist mir ganz grundsätzlich klar, dass zu einer Religion Geschichten und Riten gehören und dass nicht jeder Ritus einen allgemein erklärlichen „Sinn“ ergeben muss.

Riten sind Riten. Man verleiht ihnen Sinn, indem man sie wiederholt ausführt; nur ganz schlechte Ethnologen stehen vor einem ihnen unbekannten Volksstamm und sagen: Mein Gott, können sich diese Wilden denn nicht etwas Ordentliches anziehen?!


://www.taz.de/Schlagloch-Beschneidung/!96591/

eigentlich habe ich dem nicht mehr viel hinzuzufügen. für meine ohren klingt in dieser "beschneidungsdebatte" ein unangenehmer sarrazinesker unterton an, so ein bißchen nach "wenn die ihren pimmel nur anständig waschen würden, bräuchten sie ihn nicht zu beschneiden", eine (mehrheits)kulturelle überheblichkeit über diese dahergelaufenen, archaischen kulten anhängenden barbaren, die erst mal nicht zu uns gehören und die zweitens, wenn sie uns dennoch ihre unerwünschte anwesenheit aufzwingen, sich gefälligst kulturell unsichtbar zu machen hätten

so in der art von "nur wer bier trinkt und einen schweinsbraten ißt, ist auch als jude oder muslim ein guter deutscher"

ok - auch ich bin schon wieder polemisch geworden. scheint das thema so mit sich zu bringen. aber bin ich denn wirklich der einzige, der auch als vertreter der mehrheitsgesellschaft (deutschsprachige ahnen, christlich geprägter atheist, allesfresser und -trinker, politisch unauffällig und zumindest dem wort nach für die gleichberechtigung aller, sogar der frauen...) das gefühl hat, die gesellschaft verengt sich, setzt immer mehr auf zwang und kontrolle, will einheitlicher und stromlinienförmiger werden?

wo ist denn heute noch platz für das anderssein, ja vor allem für das anderssein wollen? wir werden doch ständig vor allem möglichen "geschützt", nicht zuletzt vor uns selber - und damit eingeengt

rauchen? schadet der gesundheit, gehört daher verboten

radfahren? ja, ist gesund, gut für die umwelt - aber so verdammt gefährlich! am besten nur noch mit helm

kopftuch? ist zeichen der unterdrückung von frauen durch männer, muß daher verboten werden

sympathie für solidarität und soziale sicherheit, die es - neben der unbestrittenen willkür und unterdrückung - in der ddr eben auch gab? führt zwangsläufig zu eben jener willkür und unterdrückung und ist daher zu ächten

berufung auf einen gott, der regeln vorgibt und die man daher befolgt? gut, muß man noch akzeptieren, solange und wo die bataillone des papsts und der protestantenbischöfe noch so mächtig sind - ist aber doch anzeichen eines auszurottenden vormodernen gesellschaftsverständnisses und daher zu bekämpfen - am härtesten bei jenen, die sich (mangels entsprechender bataillone) am wenigsten wehren können

und beschneidung? ha, da haben wir jetzt endlich den hebel gefunden, wo wir ansetzen können. dabei fließt blut! also handelt es sich um körperverletzung. und man begründet das noch nicht mal medizinisch, sondern religiös! das reinste mittelalter also. hier also kann man draufhauen, hier kann man reinsten gewissens den anderen zeigen, wer zu uns gehört und wer nicht. und vor allem können wir wieder mal eine gruppe menschen schützen vor etwas, das sie selber gar nicht bedrohung empfinden


ich weiß schon, die siebziger sind vorbei. heute proklamiert niemand mehr das "lebe frei, wild und gefährlich". aber tut es der mehrheit denn wirklich so weh, wenns auch ein paar weniger oder anders angepaßte gibt, die so manches anders sehen, handhaben und leben? sind wir ein volk von blockwarten geworten, ängstlich darauf bedacht, jegliche abweichung von der norm sofort festzustellen, zu melden und zu unterdrücken?

ich wünsche mir eine gesellschaft, in der jeder tun und lassen kann, was er will - solange er das nicht auch anderen vorschreibt oder diesen die auswirkungen zumutet. der mehrheit seltsam erscheinende riten gehören dazu, sei es das verbrennen und inhalieren von pflanzen, die ausübung selbstgefährdender sportarten, die überzeugung von unüblichen gesellschaftsmodellen, der rituelle kannibalismus mit ersatzlebensmitteln oder eben eine abweichende körperästhetik

wo etwas davon zu weit geht, etwa in der auswirkung auf sich dem allem nicht in mündiger entscheidung selbst unterworfen habende, hat die gesellschaftliche debatte und konstruktive auseinandersetzung mit dem ziel der überzeugung durch argumente den vorrang einzunehmen gegenüber dem diktat der mehrheit durch verbote

jus' my 2 cents, so far
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#2
es ist doch interessant

der erste thread zum beschneidungsverbot war eigentlich gar keiner, sondern eine plattform fürs religionsbashing, indem religion auf extremismus und fundamentalismus reduziert und als riesengefahr für unsere fdgo fantasiert wurde

zwei weitere threads meinerseits, in denen ich ausführlich und differenziert auf zwei aspekte eingegangen bin, die vom kölner zumindest mitbetroffen sind (wie weit die elterliche gewalt, sprich erziehung, gehen darf und muß, und wie unser umgang mit minderheiten ist), werden entweder sofort wieder zum themenfremden religionsbashing genutzt (erziehung) oder ignoriert (dieser hier)

nun, zumindest ist damit klar, um was es den "beschneidungskritikern" wirklich geht. jedenfalls nicht darum, was das kölner urteil über unser gesellschaftsverständnis aussagt und für dieses bewirkt
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#3
(10-07-2012, 16:22)petronius schrieb: es ist doch interessant

der erste thread zum beschneidungsverbot war eigentlich gar keiner, sondern eine plattform fürs religionsbashing, indem religion auf extremismus und fundamentalismus reduziert und als riesengefahr für unsere fdgo fantasiert wurde

zwei weitere threads meinerseits, in denen ich ausführlich und differenziert auf zwei aspekte eingegangen bin, die vom kölner zumindest mitbetroffen sind (wie weit die elterliche gewalt, sprich erziehung, gehen darf und muß, und wie unser umgang mit minderheiten ist), werden entweder sofort wieder zum themenfremden religionsbashing genutzt (erziehung) oder ignoriert (dieser hier)

nun, zumindest ist damit klar, um was es den "beschneidungskritikern" wirklich geht. jedenfalls nicht darum, was das kölner urteil über unser gesellschaftsverständnis aussagt und für dieses bewirkt

Du hast eine Meinung (auch wenn es die einer anderen Person ist) - OK. Ich habe eine andere - was ist da hinzuzufügen? Was willst du diskutieren? Ich sehe hier keinen Ansatz für eine Diskussion. Mir scheint, dir geht es nur ums Recht behalten. Argumente und Belege sind ja "off-topic". So what?
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
#4
eigentlich ist schon die überschrift falsch gewählt.
es gibt kein "beschneidungsverbot".
es kann sich jeder, der alt genug ist, weiterhin beschneiden lassen. ich denke, das gilt sogar für frauen.
#5
Nun, dann werde ich mich mal melden Icon_cheesygrin

(08-07-2012, 15:09)petronius schrieb: eigentlich habe ich dem nicht mehr viel hinzuzufügen. für meine ohren klingt in dieser "beschneidungsdebatte" ein unangenehmer sarrazinesker unterton an, so ein bißchen nach "wenn die ihren pimmel nur anständig waschen würden, bräuchten sie ihn nicht zu beschneiden", eine (mehrheits)kulturelle überheblichkeit über diese dahergelaufenen, archaischen kulten anhängenden barbaren, die erst mal nicht zu uns gehören und die zweitens, wenn sie uns dennoch ihre unerwünschte anwesenheit aufzwingen, sich gefälligst kulturell unsichtbar zu machen hätten

Das wird wohl leider so sein.
Dennoch darf man auch nicht alles unter dem selben Punkt "religiöse Besonderheiten" abtun.
Der Vergleich von Abendmahl und Beschneidung scheint mir eine solche Gleichmachung zu sein.
Es stimmt ja nun einmal dass die Beschneidung, im Gegensatz zum Abendmahl, auch einen körperlichen Eingriff mit sich bringt, ohne medizinische Notwendigkeit oder dergleichen.
Es ist halt Aufgabe der Gesetzgebung zu prüfen inwieweit religiöser Freiraum geht.
MMn. stellt die Beschneidung keine große Sache dar und ich denke die Mehrzahl der Betroffenen hat auch kein Problem damit. Aber: Es gibt Fälle bei denen Probleme auftreten können und die sich gewünscht hätten eine Beschneidung nicht gehabt haben zu müssen.
Ich könnte daher auch eine Regelung aktzeptieren, welche die Beschneidung aufgrund des Unversehrtheitrechtes des Kindes verbietet.
Glücklicherweise muss ich diese Entscheidung nicht treffen Icon_cheesygrin


(08-07-2012, 15:09)petronius schrieb: ok - auch ich bin schon wieder polemisch geworden. scheint das thema so mit sich zu bringen. aber bin ich denn wirklich der einzige, der auch als vertreter der mehrheitsgesellschaft (deutschsprachige ahnen, christlich geprägter atheist, allesfresser und -trinker, politisch unauffällig und zumindest dem wort nach für die gleichberechtigung aller, sogar der frauen...) das gefühl hat, die gesellschaft verengt sich, setzt immer mehr auf zwang und kontrolle, will einheitlicher und stromlinienförmiger werden?

Möglich dass einem das so vorkommen mag. Ich denke aber dass war früher keineswegs anders. Im Gegenteil, heute sind gesellschaftliche "Abnormalitäten" (sorry, blöder Ausdruck), doch schon wesentlich akzeptierter als in der Vergangenheit. Zumindest in den Städten. In ländlichen Gegenden bin ich oftmals erstaunt darüber, welche mittelalterliche Moral noch in den Köpfen ist.

(08-07-2012, 15:09)petronius schrieb: wo ist denn heute noch platz für das anderssein, ja vor allem für das anderssein wollen? wir werden doch ständig vor allem möglichen "geschützt", nicht zuletzt vor uns selber - und damit eingeengt

Nun, das "anderssein wollen" ist heute wohl so sehr vertreten wie noch nie. Allerdings nicht das tatsächliche "anderssein". Ganz besonders ist mir dies zu Studienzeiten in Berlin aufgefallen. Jeder meint er sei super individuell (anderssein wollen), geht aber in der Masse der Individualisten wieder vollkommen unter (tatsächliches anderssein). Ein Trip nach Australien? Kalter Kaffee. Praktikum in Äthiopien? Gehört doch heute in jeden Lebenslauf...


Weiterhin gauckelt einem heute doch jede Werbung vor, das anderssein nur über Komerz zu erreichen ist. Ich sage nur: "Think differently".

Und zu alledem: Ob Veganer, Fleischesser, Raucher, Nichtraucher, Linker, Rechter, Christ, Moslem, Hindu... alles schon lange da und mittlerweile gesellschaftlich angekommen.
Wo wäre denn heute noch Platz für "anderssein"?


(08-07-2012, 15:09)petronius schrieb: rauchen? schadet der gesundheit, gehört daher verboten

radfahren? ja, ist gesund, gut für die umwelt - aber so verdammt gefährlich! am besten nur noch mit helm

kopftuch? ist zeichen der unterdrückung von frauen durch männer, muß daher verboten werden

Hier stimme ich dir weitestgehend zu. Andererseits: Hat der Staat nicht auch eine Pflicht seine Bürger zu schützen?
Eigentlich bin auch ich der Meinung jeder ist für sich selbst verantwortlich. Aber es ist ja nun mal so, dass die Gesellschaft auch für den Einzelnen aufkommen muss. Und die Behandlung von Volkskrankheiten wie Übergewicht, Raucherfolgen, Krankheiten durch Bewegungsmangel etc. müssen nun einmal von allen getragen werden. Man fragt sich bei einigen Leuten wirklich manchmal ob sie sich ihrer eigenen verantwortung für ihren Körper und sich selbst überhaupt bewusst sind.



(08-07-2012, 15:09)petronius schrieb: ich weiß schon, die siebziger sind vorbei. heute proklamiert niemand mehr das "lebe frei, wild und gefährlich". aber tut es der mehrheit denn wirklich so weh, wenns auch ein paar weniger oder anders angepaßte gibt, die so manches anders sehen, handhaben und leben? sind wir ein volk von blockwarten geworten, ängstlich darauf bedacht, jegliche abweichung von der norm sofort festzustellen, zu melden und zu unterdrücken?

Keine Ahnung wie es in den siebzigern wirklich war, aber es stimmt: Ein Schlagwort heutiger Generationen ist wohl: Sicherheit.

(08-07-2012, 15:09)petronius schrieb: wo etwas davon zu weit geht, etwa in der auswirkung auf sich dem allem nicht in mündiger entscheidung selbst unterworfen habende, hat die gesellschaftliche debatte und konstruktive auseinandersetzung mit dem ziel der überzeugung durch argumente den vorrang einzunehmen gegenüber dem diktat der mehrheit durch verbote

Nun, die Beschneidungsdebatte ist eigentlich ein gutes Beispiel dafür dass auch konstruktive Auseinandersetzungen zu keiner befriedigenden Lösung führen müssen.
So haben wir von Betroffenen gehört die kein Problem damit hatten, aber auch von einem welcher sich das anders gewünscht hätte.
#6
(10-07-2012, 17:06)elTopo schrieb: eigentlich ist schon die überschrift falsch gewählt.
es gibt kein "beschneidungsverbot".
es kann sich jeder, der alt genug ist, weiterhin beschneiden lassen. ich denke, das gilt sogar für frauen.

Hier ist keine Selbstbeschneidung gemeint, sondern an Anderen, in diesem Fall speziell an Kindern/Kleinkindern und da halte ich z.B. es nun mal für
unzulässig, siehe auch Strafgesetzbuch Körperverletzungen.
#7
(10-07-2012, 16:35)schmalhans schrieb:
(10-07-2012, 16:22)petronius schrieb: es ist doch interessant

der erste thread zum beschneidungsverbot war eigentlich gar keiner, sondern eine plattform fürs religionsbashing, indem religion auf extremismus und fundamentalismus reduziert und als riesengefahr für unsere fdgo fantasiert wurde

zwei weitere threads meinerseits, in denen ich ausführlich und differenziert auf zwei aspekte eingegangen bin, die vom kölner zumindest mitbetroffen sind (wie weit die elterliche gewalt, sprich erziehung, gehen darf und muß, und wie unser umgang mit minderheiten ist), werden entweder sofort wieder zum themenfremden religionsbashing genutzt (erziehung) oder ignoriert (dieser hier)

nun, zumindest ist damit klar, um was es den "beschneidungskritikern" wirklich geht. jedenfalls nicht darum, was das kölner urteil über unser gesellschaftsverständnis aussagt und für dieses bewirkt

Du hast eine Meinung (auch wenn es die einer anderen Person ist) - OK. Ich habe eine andere - was ist da hinzuzufügen? Was willst du diskutieren?

lies doch einfach meinen eingangsbeitrag
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#8
(10-07-2012, 17:06)elTopo schrieb: eigentlich ist schon die überschrift falsch gewählt.
es gibt kein "beschneidungsverbot".
es kann sich jeder, der alt genug ist, weiterhin beschneiden lassen. ich denke, das gilt sogar für frauen.

und was hat dat das gerichtsurteil für kriminell erklärt, also verboten?

daß auch du die circumcision mit der fgm vergleichst, läßt tief blicken
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#9
(10-07-2012, 17:17)Gundi schrieb: MMn. stellt die Beschneidung keine große Sache dar und ich denke die Mehrzahl der Betroffenen hat auch kein Problem damit. Aber: Es gibt Fälle bei denen Probleme auftreten können und die sich gewünscht hätten eine Beschneidung nicht gehabt haben zu müssen.
Ich könnte daher auch eine Regelung aktzeptieren, welche die Beschneidung aufgrund des Unversehrtheitrechtes des Kindes verbietet.
Glücklicherweise muss ich diese Entscheidung nicht treffen Icon_cheesygrin

natürlich

aber die frage ist, ob die wenigen einzelfälle auch dann zu einem verbot allgemeinen verbot geführt hätten, wenn es sih um die mehrheitsreligion gehandelt hätte

anders gesagt: stell dir vor, ein kind bekommt bei der taufe wasser in die luftröhre und entwickelt eine aspirationspneumonie. kannst du dir vorstellen, daß auf diesen einzelfall hin taufen allgemein verboten werden?

(10-07-2012, 17:17)Gundi schrieb: Hier stimme ich dir weitestgehend zu. Andererseits: Hat der Staat nicht auch eine Pflicht seine Bürger zu schützen?

vor sich selbst?

nein

(10-07-2012, 17:17)Gundi schrieb: Nun, die Beschneidungsdebatte ist eigentlich ein gutes Beispiel dafür dass auch konstruktive Auseinandersetzungen zu keiner befriedigenden Lösung führen müssen

welche "konstruktiven Auseinandersetzungen"?

hab ich was nicht mitgekriegt?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#10
(10-07-2012, 17:22)Harpya schrieb: Hier ist keine Selbstbeschneidung gemeint, sondern an Anderen, in diesem Fall speziell an Kindern/Kleinkindern
auch dann ist die beschneidung nicht verboten, wenn sie medizinisch notwendig ist.

Zitat: und da halte ich z.B. es nun mal für
unzulässig, siehe auch Strafgesetzbuch Körperverletzungen.
s.o.
wenns keinen medizinischen grung gibt, bin ich völlig deiner meinung.
#11
(10-07-2012, 17:34)petronius schrieb: und was hat dat das gerichtsurteil für kriminell erklärt, also verboten?
eine nicht notwendige beschneidung an nicht einwilligungsfähigen personen.

Zitat:daß auch du die circumcision mit der fgm vergleichst, läßt tief blicken
mir ging es darum, das jeder von uns morgen zum arzt gehen könnte um sich beschneiden zu lassen. auch frauen.
"schönheitsoperationen" an schamlippen sollen z. zt. vor allem in GB und USA sehr im trend sein.
#12
(10-07-2012, 17:41)petronius schrieb: aber die frage ist, ob die wenigen einzelfälle auch dann zu einem verbot allgemeinen verbot geführt hätten, wenn es sih um die mehrheitsreligion gehandelt hätte

Eventuell nicht. Allerdings sollte dass nicht die Grundlage für eine Entscheidung sein.

(10-07-2012, 17:41)petronius schrieb: anders gesagt: stell dir vor, ein kind bekommt bei der taufe wasser in die luftröhre und entwickelt eine aspirationspneumonie. kannst du dir vorstellen, daß auf diesen einzelfall hin taufen allgemein verboten werden?

Es geht den Richtern wohl weniger um die Gefahr während des Aktes selbst, sondern um einen Eingriff in das Unversehrtheitsrecht des Kindes.

(10-07-2012, 17:41)petronius schrieb:
(10-07-2012, 17:17)Gundi schrieb: Hier stimme ich dir weitestgehend zu. Andererseits: Hat der Staat nicht auch eine Pflicht seine Bürger zu schützen?

vor sich selbst?

nein

Ich hatte ja noch mehr geschrieben, ne... Icon_cheesygrin

(10-07-2012, 17:41)petronius schrieb:
(10-07-2012, 17:17)Gundi schrieb: Nun, die Beschneidungsdebatte ist eigentlich ein gutes Beispiel dafür dass auch konstruktive Auseinandersetzungen zu keiner befriedigenden Lösung führen müssen

welche "konstruktiven Auseinandersetzungen"?

hab ich was nicht mitgekriegt?

Du magst es vieleicht nicht mitbekommen haben, aber zwischen drin gab es durchaus interessante Beiträge von zb. d.n. und mustafa.
#13
Ich habe mir gestattet, einen "Antwortbrief" auf den Beitrag von Hilal Sezgin zu schreiben.

Sehr geehrte Frau Sezgin,
um es gleich vorweg zu nehmen: ich bin atheistisch geboren oder besser gesagt - areligiös. Meine heutige Weltanschauung habe ich mir hart gegen mein Umfeld, meine Erziehung, gegen den Staat in dem ich geboren wurde erkämpft. Daher weiß ich – nichts ist unveränderlich.
In Ihrem Artikel rechnen Sie den einen Brauch gegen den anderen auf. Also Beschneidung gegen „Essen des Leichnams“, Kopftuch gegen den Verzehr von „toten Schweinebabies“. Was verstehen Sie eigentlich unter einem Brauch oder gar unter einer Tradition? Ihrem Artikel kann ich es nicht entnehmen. Ich komme Ihnen da gerne entgegen. Wikipedia definiert Tradition als „Weitergabe von Handlungsmustern, Überzeugungen und Glaubensvorstellungen u. a. oder das Weitergegebene selbst (z. B. Gepflogenheiten, Konventionen, Bräuche oder Sitten). Tradition geschieht innerhalb einer Gruppe oder zwischen Generationen und kann mündlich oder schriftlich über Erziehung, Vorbild oder spielerisches Nachahmen erfolgen. Die soziale Gruppe wird dadurch zur Kultur.“ Man kann diese Tradition aufnehmen – oder ablehnen. Will sagen – als Kind deutscher areligiöser Schweinebabyfresser kann ich mich auch entscheiden, Vegetarier zu werden. Wenn ich verständnisvolle Eltern habe, sogar schon im Alter von drei Jahren. Meine waren leider nicht so verstädnisvoll. Was meine Eltern aber taten – sie ließen mir die Religionsfreiheit, also die Freiheit, eine Relgion zu wählen (oder eben nicht). Ich hatte sogar eine Bibel und habe mit Menschen darüber diskutiert. Ich hatte auch mythologische Texte des alten Ägyptens und andere, die ich auch faszinierend fand.
Aber ich schweife vom Thema ab.
Sie haben Recht – das Christentum nimmt sich in diesem Land ungeheuer viele Freiheiten und Privilegien heraus. Sie wollen diese beschneiden (Sie entschuldigen das Wortspiel)? Ich bin dabei!
Aber nein – es geht Ihnen um die Riten. Riten sind Riten, sagen Sie, Sie wollen gepflegt werden. Prima, bin ich auch dabei. Was ich aber nicht nachvollziehen kann, ist folgender Satz „Man verleiht ihnen Sinn, indem man sie wiederholt ausführt.“ Ach – die Riten erhalten ihren Sinn, weil man sie wiederholt ausführt? Sie haben sonst keinen? Mir scheint eher, dass etwas, dass nur sinnvoll ist, weil ich es wiederhole, eine Strafe ist – etwa wenn ich in der Schule den Satz „Ich darf den Lehrer nicht ärgern“ in Schönschrift in mein Hausaufgabenheft schreiben musste.
Wie dem auch sei: Bräuche kommen – und sie gehen auch wieder. Manche halten sich hartnäckig, andere verschwinden recht schnell wieder. Manche allerdings verstoßen gegen das Gesetz. Das Schöne an pluralistischen Gesellschaften ist, dass man darüber diskutieren kann und Argumente Für und Wider austauscht. Möglicherweise findet man einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, möglicherweise einen Kompromiss. Möglicherweise streitet man weiter. Welche Religion wäre so tolerant, das auch zuzulassen? Meiner Erfahrung nach gibt es keine solche Toleranz, wenn Religionen auch die politische Macht haben.
Überrascht hat mich allerdings Ihr Vergleich von in Europa ansässigen Religionsgemeinschaften mit unbekannten Ethnien. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das den Männern gefällt, die ihren Frauen hübsche schwarze Kopfbedeckungen als Brauch verordnen. Was sie alle übrigens sehr pluralistisch aussehen lässt.
Wie Sie so schön bemerkten – Riten sind Riten. Und weil es eben nicht wirklich sinnstiftende Belanglosigkeiten sind, gehören Sie immer dann abgeschafft, wenn Sie das Individuum einschränken. Nur so können wir Pluralität gestalten. Oder – um auf die Tradition zurückzukommen: wo die Tradition zum sozialen Zwang wird und man sie nicht problemlos aufgeben kann, ist sie nicht mehr Kultur, sondern kulturlos.
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
#14
(10-07-2012, 18:00)Gundi schrieb:
(10-07-2012, 17:41)petronius schrieb: aber die frage ist, ob die wenigen einzelfälle auch dann zu einem verbot allgemeinen verbot geführt hätten, wenn es sih um die mehrheitsreligion gehandelt hätte

Eventuell nicht. Allerdings sollte dass nicht die Grundlage für eine Entscheidung sein

es sollte nicht die grundlage einer entscheidung sein, ob es nur die minderheit betrifft - richtig. aber dieses gschmäckle hat die sache nun mal, zumal für die besagten minderheiten, die sich ohnehin surrealen anfeindungen ausgesetzt fühlen (antisemitismus, muslimfeindlichkeit)

(10-07-2012, 18:00)Gundi schrieb:
(10-07-2012, 17:41)petronius schrieb: anders gesagt: stell dir vor, ein kind bekommt bei der taufe wasser in die luftröhre und entwickelt eine aspirationspneumonie. kannst du dir vorstellen, daß auf diesen einzelfall hin taufen allgemein verboten werden?

Es geht den Richtern wohl weniger um die Gefahr während des Aktes selbst, sondern um einen Eingriff in das Unversehrtheitsrecht des Kindes

das kam bei mir anders rüber. denn ein absolutes "Unversehrtheitsrecht2 gibt es nicht, es gibt immer gründe, in die körperliche unversehrtheit einzugreifen. bei lebensbedrohlichen erkrankungen oder unfällen werden diese ganz selbstverständlich anerkannt, in minder schweren fällen ist es halt auslegungsssache bzw. eine sache der wertung. für den christlichen oder atheistischen richter hat die beschneidung eben keinen wert an sich - für den juden oder muslim aber sehr wohl

(10-07-2012, 18:00)Gundi schrieb: Ich hatte ja noch mehr geschrieben, ne... Icon_cheesygrin

das leugnet keiner, verpflichtet mich aber ach nicht, darauf zu antworten

ich seh das so klipp und klar. wir müssen wirklich nicht daherkommen und auf heller und pfennig ausrechnen, welches verhalten des einzelnen nun die gesellschaft wieiel kostet und wo daher in die freie entwscheidung des einzelnen eingegriffen werden darf


(10-07-2012, 17:41)petronius schrieb:
(10-07-2012, 17:17)Gundi schrieb: Nun, die Beschneidungsdebatte ist eigentlich ein gutes Beispiel dafür dass auch konstruktive Auseinandersetzungen zu keiner befriedigenden Lösung führen müssen

welche "konstruktiven Auseinandersetzungen"?

hab ich was nicht mitgekriegt?

Du magst es vieleicht nicht mitbekommen haben, aber zwischen drin gab es durchaus interessante Beiträge von zb. d.n. und mustafa.
[/quote]

einzelne beiträge ja, aber im ganzen eben keine konstruktive auseinandersetzung

und ich habe da auch eher an das urteil gedacht, dem afaik eben keinerlei auseinandersetzung vorausging
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#15
(10-07-2012, 18:35)petronius schrieb:
(10-07-2012, 18:00)Gundi schrieb:
(10-07-2012, 17:41)petronius schrieb: anders gesagt: stell dir vor, ein kind bekommt bei der taufe wasser in die luftröhre und entwickelt eine aspirationspneumonie. kannst du dir vorstellen, daß auf diesen einzelfall hin taufen allgemein verboten werden?

Es geht den Richtern wohl weniger um die Gefahr während des Aktes selbst, sondern um einen Eingriff in das Unversehrtheitsrecht des Kindes

das kam bei mir anders rüber. denn ein absolutes "Unversehrtheitsrecht2 gibt es nicht, es gibt immer gründe, in die körperliche unversehrtheit einzugreifen. bei lebensbedrohlichen erkrankungen oder unfällen werden diese ganz selbstverständlich anerkannt, in minder schweren fällen ist es halt auslegungsssache bzw. eine sache der wertung. für den christlichen oder atheistischen richter hat die beschneidung eben keinen wert an sich - für den juden oder muslim aber sehr wohl

Dennoch ist dein Beispiel mit der Taufe nun mal nicht korrekt, da sich das Urteil nicht auf Gefahren während des Aktes bezieht.


(10-07-2012, 18:35)petronius schrieb: ich seh das so klipp und klar. wir müssen wirklich nicht daherkommen und auf heller und pfennig ausrechnen, welches verhalten des einzelnen nun die gesellschaft wieiel kostet und wo daher in die freie entwscheidung des einzelnen eingegriffen werden darf

Naja, mit der "freien Entscheidung" ist es soweit nicht her. Ich finde es beispielsweise wesentlich schlimmer dass einem Harz4-Empfänger die Wahl genommen wird Bio-Artikel oder fair-trade-Produkte zu kaufen als dass die Tabaksteuer weiter erhöht wird.
Aber beim Thema "freie Entscheidung" setzt halt jeder andere Maßstäbe.


(10-07-2012, 17:41)petronius schrieb: und ich habe da auch eher an das urteil gedacht, dem afaik eben keinerlei auseinandersetzung vorausging

Auch eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung wird hierbei zu keiner einheitlichen Lösung führen. Am Ende fühlt sich irgendeine Partei benachteiligt.


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