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Offenbarung des Johannes (Johannes-Apokalypse)
#1
Die Offenbarung des Johannes ist die einzige prophetische Schrift des ↗Neuen Testaments, in vieler Hinsicht nimmt sie eine Sonderstellung ein. Sprachlich und in den Denkmustern lehnt sie sich an die ↗frühjüdische Apokalyptik an. Abgefasst wurde der Text in ↗Koine-Griechisch.

Es gibt zwar auch sonst noch apokalyptische Textstellen im NT (beispielsweise Mk 13; Mt 24; Lk 21, 5ff.; 2Kor 5, 2-10; 2Thess 2, 1-12; 2Petr 3, 10-13, u. a.), doch ist die Offb das einzige durchgehend apokalyptische Botschaften vermittelnde Buch.

Die frühe Christenheit dürfte apokalyptische Texte zwar geschätzt (ihr ist es wohl auch zu verdanken, dass sich einige der frühjüdisch-apokalyptischen Texte erhalten haben), diese  aber gleichzeitig für wenig geeignet gehalten haben, theologische Anliegen zu transportieren.

Erst einige Zeit nach Entstehen der Offb kommen weitere apokalyptische Bücher in Umlauf. Ein anderer von frühchristlichen Gemeinden offenbar sehr geschätzter apokalyptischer Text, der ↗"Hirt des Hermas", schaffte es nicht, in den ↗Kanon aufgenommen zu werden.

Entstanden ist die Offb vermutlich auf der Insel Patmos, wo ein dorthin verbannter ↗Presbyter(?) aus Kleinasien namens Johannes seine Visionen hatte und diese aufzeichnete. Als Datum des Entstehens wird überwiegend die Zeit um 95 nC (Regierungszeit des ↗Domitian) angenommen. Grundlage für diese Annahme bietet vor allem das Zeugnis frühkirchlicher Schriftsteller (Iren. haer. V 30,3; Eus. KG III 18,1).

Davon abgesehen ist der einzige plausible Grund, das Entstehen der Offb in die Regierungszeit Domitians zu verorten, der intensiv gepflegte Kult um seine Person. ↗Christenverfolgungen, wie es frühchristliche Texte glaubhaft machen wollen, hat es zur Zeit Domitians nicht gegeben1. Die Vergöttlichung der Kaiser – und insbesondere, die Art und Weise, wie sie Domitian einforderte -  war den frühen Christen ein Ärgernis gewesen. Auch ein Datum um 115 nC (Regierungszeit des ↗Trajan) als Entstehungszeit der Offb anzunehmen, wie Peter Pilhofer2 und andere das tun, lässt sich plausibel begründen. Eine Minderheit hält an der Meinung fest, dass die Offb in der Regierungszeit der Kaiser ↗Claudius oder ↗Nero, einige wenige, dass sie unter ↗Hadrian entstanden sein könnte.

Suspekt ist der frühen Christenheit der ↗Kaiserkult gewesen, den einige Herrscher (↗Augustus, Nero, Domitian) in den Dienst der Politik stellten.

Mit dem Tier aus dem Meer jedenfalls ist der römische Kaiser gemeint, mit ↗Babylon das ↗Römische Reich, von ihm fühlt sich die junge Christenheit bedroht.

Johannes stellt nirgendwo den Anspruch, ↗Apostel zu sein. Auch gehören die Apostel nach der Offb bereits der Vergangenheit an (21, 14). Dennoch wird schon sehr früh, offenbar aus dogmatischen Überlegungen, mit der Behauptung argumentiert, der Text stamme vom Apostel Johannes (↗Justin, Tryph. 151-155; ↗Irenäus haer. IV, 30, 4. V 26, 1; ↗Origenes, Johannes-Kommentar II 5, § 45).

Für einen Text des Apostels (und aus diesem Grunde für kanonisch) halten die Offb auch ↗Tertullian, ↗Cyprian von Karthago und ↗Clemens von Alexandrien. Der ↗Canon Muratori (ca. 200 nC) ist das früheste Verzeichnis, in dem die Offb als kanonischer Text verzeichnet ist.

In der ägyptischen Kirche ist die Kanonizität der Offb unbestritten. ↗Athanasius d. Große führt sie in seinem ↗39. Osterfestbrief als letzte der kanonischen Schriften des Neuen Testaments an.

Ebenso früh und gleichermaßen aus dogmatischen Gründen wird die Kanonizität der Offb aber auch bestritten. Im Westen, vornehmlich in ↗Rom, durch den Presbyter Gaius, der den Text dem Häretiker ↗Kerinth zuschreibt.

Der Ostkirche sind die Endzeitschilderungen überwiegend suspekt.

Bischof Dionysius von Alexandrien, ein Origenes-Schüler, steht der Offb kritisch gegenüber. ↗Eusebius von Caesarea neigt dazu, die Offb als unecht anzusehen, die verworfen werden müsse. ↗Cyril von Jerusalem nimmt sie in seinen Kanon nicht auf und verbietet in seinem Einflussbereich sowohl ihre öffentliche Lesung als auch ihren privaten Gebrauch. Auch ↗Gregor von Nazianz nimmt sie in seinen Kanon nicht auf, ↗Johannes Chrysostomos verwendet sie nicht.

Im Kanon der ↗nationalsyrischen Kirche findet sich Offb erst nach 500 nC.

Erst ab dem 6. Jh gilt die Offb in der gesamten ↗Griechischen Kirche als kanonisch. Daran war der Einfluss Ägyptens und Roms maßgeblich beteiligt. In die ↗Liturgie der Griechischen Kirche haben Texte der Offb bis heute keinen Eingang gefunden. Im kleineren Kanon der ostsyrischen Christenheit fehlt die Offb (neben dem 2. Petrusbrief, dem 2. u. 3. Johannesbrief und dem Judasbrief) überhaupt.

Sonst wird die Kanonizität der Offb ab dem 7. Jh nirgendwo mehr bestritten, wenngleich sich immer wieder kritische Stimmen gegen sie erheben. Maßgebliche Persönlichkeiten der ↗Frühen Neuzeit, die die Offb wenig schätzten, ohne ihre Kanonizität infrage zu stellen, waren Kardinal ↗Cajetan, ↗Erasmus von Rotterdam und ↗Martin Luther gewesen.

Auf dem ↗Konzil von Trient, 4. Sitzung, 8. April 1546, wurde der gesamte Kanon des Alten und Neuen Testaments dogmatisch befestigt. Von diesem Zeitpunkt weg war das Leugnen der Kanonizität der Offb innerhalb der röm. kath. Kirche mit dem ↗Anathema bedroht.


1) Heinz Giesen, Die Offenbarung des Johannes, 1997 Regensburg. Verlag F. Pustet, S. 27
2) Peter Pilhofer. Das Neue Testament und seine Welt. Eine Einführung. 2010 Tübingen , VerlagMohr Siebeck, S. 425f.




● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
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