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Maria (Mutter Jesu)
#1
(Text in Arbeit)

Aus neutestamentlichen Zeugnissen ist eine Biographie für Maria nur lückenhaft zu erschließen. Bei Mk wird sie namentlich genannt (Mk 6,3), spielt aber heilsgeschichtlich keine Rolle. Eine Rolle in der Heilsgeschichte wird Maria erst durch Mt und in gesteigertem Maße durch Lk zuteil. Beide Evangelisten erzählen die wundersame Begebenheit von einer Jungfrau, die  schwanger wurde (Mt 1,18ff.; Lk 1,26ff.). Ihr Verlobter, ↗Josef, wollte die junge Frau in aller Stille verlassen. Erst nach Intervention "des Engels des Herrn" (bei Mt) bzw. des ↗Erzengels  ↗Gabriel (bei Lk), der ihm die göttliche Natur des Kindes eröffnete, bekannte er sich zu Mutter und Kind.

Bei Joh findet sich kein Bezug zur jungfräulichen Empfängnis des fleischgewordenen ↗Logos. Die Jungfräulichkeit Marias spielt bei ihm keine Rolle. ↗Jesus  wird unmissverständlich Sohn des Josef (Joh 1,45; 6,42) genannt. Die eigentliche Identität Jesu wird erst nach seiner Erhöhung (also nach ↗Kreuzigung  und ↗Auferstehung) zu erkennen sein (Joh 8,28f.).

Mk zeichnet ein gespanntes Verhältnis von Jesus zu seiner Familie (Mk 3,21), die Mutter eingeschlossen (Mk 3,31-35). Vom Mt wird der Konflikt abgeschwächt (Mt 12,46-50). Auch bei Joh ist die Distanz Jesu zur Familie ist erkennbar. In ↗Kana  wird Maria von Jesus schroff zurechtgewiesen (Joh 2,4), und seine Brüder glaubten nicht an ihn (Joh 7,5).

In der neutestamentlichen Briefliteratur spielt Maria keine Rolle. Von ↗Paulus wird sie ein einziges Mal erwähnt. Paulus kennt nicht einmal ihren Namen oder er misst diesem keine Bedeutung zu. Ohne weitere Erläuterungen stellt Paulus fest, dass Gott seinen Sohn, geboren aus einer Frau, sandte (Gal 4,4).

Mit der ↗Apokalyptischen Frau  der ↗Johannesoffenbarung (Offb 12,1ff.) wird Maria erst ab dem 5. Jh in Verbindung gebracht. Ab dem 14. Jh. bezieht sich auch die christliche Ikonographie bei Mariendarstellungen häufig auf den Text der Johannesapokalypse (↗Mondsichelmadonnen, ↗Strahlenkranzmadonnen). Große Bedeutung gewann Maria als Apokalyptische Frau verbunden mit den jüngsten ↗Mariendogmen des 19. (↗Immaculata) u. 20. Jhs (↗Assumption).

Da die aus dem ↗Neuen Testament  rekonstruierbare Biographie Marias die Gläubigen ab der 2. Hälfte des 2. Jhs nicht mehr zufriedenstellte, entstanden nach und nach Texte, die dem Lebenslauf Marias (insbesondere Geburt u. Kindheit) Inhalt gaben. Im ↗apokryphen ↗Protevangelium des Jakobus  wird (in einer literarisch fiktiven Erzählung) die Lebensgeschichte Marias um Ereignisse bis zu Geburt Jesu ergänzt. Ihre körperliche Reinheit und Unberührtheit ist stark in den Vordergrund gestellt. Ihre voreheliche Karriere als ↗Tempeljungfrau, die Scheinehe mit Josef, ihre zeitlebens bestehende ↗Jungfräulichkeit  und die Schmerzfreiheit bei der Geburt Jesu werden besonders betont. Sie entspricht nunmehr dem ↗asketischen Ideal der Frühzeit des ↗Christentums und ist absolut keusches und passiv-duldsames Werkzeug Gottes.

Der Tod Marias gehörte nicht zum Erzählgut der Christenheit der ersten vier Jahrhunderte. Für die christologisch ausgerichtete ↗Theologie der ersten Jahrhunderte war der Tod Marias ohne Bedeutung. Erst gegen Ende des 4. Jh entstand als Ergebnis frommer Wissensbedürfnisse das Verlangen, Maria in die Heilsbedeutung der Erlöserrolle Jesu einzubinden. Wenn Maria als im Himmel thronende Frau (↗Regina coeli) verehrt wurde, die Gottes Entscheidungen und das Urteil Christi beim ↗Endgericht durch Fürsprache beeinflussen konnte, war es für die Gläubigen auch zu wissen interessant, wann und unter welchen Umständen Maria in den Himmel eingegangen war.

Dieses Bedürfnis wurde durch einen Text, der unter dem Titel "De transitu beatae Mariae virginis" (Über den Heimgang der Heiligen Jungfrau Maria) wahrscheinlich im 5. Jh hergestellt wurde und ein fiktives Sterbeprotokoll Marias samt angeschlossenem Bericht über die ↗Himmelfahrt  zum Inhalt hatte, zufriedengestellt.

Drei Tage vor ihrem Tod wurde Maria von einem ↗Engel  die Nachricht überbracht, dass sie sterben werde. Alle ↗Apostel wurden auf wundersame Weise auf Wolken durch die Lüfte getragen und vor der Haustür Marias abgesetzt, um mit ihr vor dem Heimgang zu beten. Zur Todesstunde kam Jesus an das Sterbebett, nahm ihre Seele in seine Hände und brachte diese in den Himmel.

Schon im 2. Jh gab es Stimmen, die die behauptete Jungfrauengeburt in Zweifel zogen.

In seiner Streitschrift (Ἀληθὴς λόγος = Wahre Lehre) gegen die Christen erwähnte der ↗Platoniker  ↗Kelsos  u.a., Maria sei von einem römischen Soldaten namens Panthera geschwängert und danach von Josef verstoßen worden. Der Text ist verlorengegangen. Aus einer Gegenschrift des ↗Origenes, in der dieser die Behauptungen des Kelsos zu widerlegen versuchte (Orig. Contra Celsum 1,32f.), lässt sich der Text des Kelsos aber annähernd rekonstruieren.

Die Anspielung auf eine Frauenhaarflechterin Mirjam, die von einem römischen Soldaten namens Pandera (Panthera) schwanger geworden war, ist auch im ↗bTalmud  (Shabbat 104b; Sanhedrin 67a) vorzufinden. Polemisch ergänzt und verschärft wurden die talmudischen Anmerkungen in späteren jüdischen Texten, ganz besonders in der Toldoth-Jeschu Literatur, einer Sammlung jüdischer ↗Sagen, die im 7. oder  8. Jh. (vielleicht auch später) entstanden war. In der Toldoth-Jeschu-Erzählung war Mirjam aus ↗Bethlehem mit einem gottesfürchtigen Mann namens Jochanan verlobt und wurde von Josef, der sich bei ihr eingeschlichen hatte, getäuscht, verführt und geschwängert. Mirjam beteuerte, dass sie das Kind ohne männliches Zutun empfangen habe. Das wurde ihr nicht geglaubt. Weil  er mit der Schande nicht leben konnte, verließ sie Jochanan und floh nach ↗Babylonien.

Verleumdungen Marias durch "die Juden" werden auch im Koran angesprochen (4:156).

Im ↗Islam genießt Maria hohes Ansehen. Sie ist für ↗Muslime eine der vier besten und besonders verehrungswürdigen muslimischen Frauen (Maria, ↗Khadidja, ↗Aisha und ↗Fatima). Die Sure 3 ist nach ihrem Vater ('Imran), die Sure 19 nach ihr selbst benannt. Was durch den ↗Koran über das göttliche Auserwähltsein, Geburt und Kindheit Marias bekannt wird, lässt auf eine gewisse Vertrautheit ↗Mohammeds mit der einschlägigen apokryphen christlichen Literatur schließen. Die jungfräuliche Empfängnis wird im Koran übernommen (19:16-21). Die Frage, wie es dieser kommen habe können, beantwortet der Koran mit "Gott schafft, was er will" (3:47). Die Beteiligung des ↗Heiligen Geistes an der göttlichen Zeugung wird angedeutet (66:12). Gegen die christliche ↗Trinitätsauffassung, die Mohammed irrtümlich mit "Gott Vater, Maria und Jesu" annimmt, wird im Koran Stellung bezogen (5:116f.).



● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
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