27-01-2010, 17:14
(27-01-2010, 14:35)Jezul schrieb: Könnt ihr mir helfen, wieder richtig zu glauben? Ich weiß den Weg muss ich selber finden, aber könnt ihr mir dabei helfen?Gegenfrage: Was verstehst du unter „richtig glauben“? Könnte es sein, dass du ein Glaubensbild pflegst, was der Entwicklung deiner Persönlichkeit nicht mehr entspricht. Im Allgemeinen kommen Menschen nicht mit einer Überzeugung von Kindertagen bis zum Alter aus. Die biblischen Geschichten bieten gewisse Vorstellungen davon an, was gut – dort heißt es „gottgefällig“ ist. Diese sind größtenteils zeitbedingt und können in der Form nicht ein ganzes, komplexes Leben bestimmen.
So werden auch in Bibelkreisen – zumindest der evangelischen Christen – die Vorstellungen dieser Schriften hinterfragt und sogar angepasst. So geschehen auf dem Gebiet Ehe und Familie, Sexualität und Verantwortung.
Die Ausführungen von Hikikomori möchte ich auch aus evangelischer Sicht ausdrücklich unterstützen. Vorstellungen vom Gotteswillen, von Hölle und Strafe sind und bleiben Mutmaßungen oder Erziehungsmaßnahmen. Nichts davon gibt es wirklich genau wie bei Dämonen und magischen Fähigkeiten bestimmter Personen.
Natürlich fällt es schwer, alte Vorstellungen einfach fallen zu lassen. Vielleicht hilft dir die Vorstellung, dass die antiken, ethischen Forderungen der Bibel einmal gegenüber den Vorgängern erhebliche Fortschritte in der kulturellen Entwicklung darstellten. Dies sollte uns ermutigen, den Wertvorstellungen der Neuzeit einen gleichrangigen Platz einzuräumen im Sinne eines Verhaltens hin zu mehr Menschlichkeit (z. B. Menschenwürde, Achtsamkeit, Gerechtigkeit).
Atheisten sind mit ihrem Humanismus und der Ablehnung unklarer Autoritäten in der gleichen Situation. Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer hat den Sachverhalt mal provokant auf den Punkt gebracht: „Wir (Christen) müssen in Allem so handeln, als wenn es Gott nicht gäbe.“
Er wehrte sich heftig gegen das „Geborgensein in Gott“ also der Vorstellung, als entbinde uns Gott von den Grausamkeiten unserer Verantwortung vor dem Leid der Menschen. Diesen „Kuschelgott“ gibt es nicht.
Richard Dawkins hat in derselben Weise Recht. Traditionelle Gottesvorstellungen verführen zur Abgabe unserer Verantwortlichkeit, schlimmer noch: wir versäumen es, „fröhlich singend“ unsere Strukturen verantwortlich zu gestalten, so als ginge uns (Gläubige) das alles nichts an: Beispiel das Aufgehen der Schere zwischen arm und reich!
Fragen nach der Hautfarbe der Afrikaner haben natürlich mit Religion nichts zu tun. Adam und Eva sind typische Menschen gleichgültig, welche Hautfarbe sie hatten. Wir müssen in religiösen Dingen nicht Fragen beantworten, die sich auf der Sachebene bewegen. Die gegenwärtige kulturelle Entwicklung unterscheidet hier deutlicher Sach- von Wert-und-Sinnfragen als die Antike. Deshalb sind die Urgeschichten der Bibel bestenfalls archetypische Erzählungen, die uns etwas über die menschliche Situation sagen z. B. dass der Mensch mitleidensfähig ist, es schwer hat, leidet und sich stets um sein Dasein kümmern muss.
Die naturgeschichtliche Theorie von der Entstehung der Arten, Evolutionstheorie, bewegt sich rein auf der Sachebene und kann Wert- und Sinnfragen nicht beantworten.
Dass die vielen Geschichten der Bibel (Schriftensammlung) nicht widerspruchslos sein kann, sei nur am Rande erwähnt. Dazu gibt es im Forum schon viel Diskussion.
Begriffe wie „allmächtig“ oder „allbarmherzig“ (all-liebend) sind nur Verehrungsformen. All-Begriffe umfassen – aus philosophischer Sicht – auch ihre Widersprüche; deshalb sind sie in ihrer Anwendung irrelevant. Sie sind Ausdruck innigen Glaubens, mehr nicht.
Reinkarnation ist eine Lehre aus Indien und hat mit den christlichen Vorstellungen nichts zu tun. Wieder-geboren-werden kann eine beruhigende Vorstellung sein. Wenn man genauer darüber nachdenkt, steckt dahinter nicht mehr als die Furcht vor den Nicht-Sein.
Doch Nicht-Sein bedeutet auch: keine Bedürfnisse, keine Schmerzen mehr haben, Zerfließen im Ozean der universellen Wechselwirkungen und Informationen.
Die Natur hat nicht umsonst die Lösung für das Problem erfunden: Vererbung und Kultur.
Wenn wir schon an Gott glauben, dann eben auch daran, dass ER uns im Tode auffängt und wir getrost unseren Weg zum natürlichen Ende gehen können ohne überflüssige Vorstellungen, die nur Angst machen!
Leben aus Zufall: Es wird immer wieder erzählt, die Evolution beschreibe die Entstehung des Lebens aus Zufall oder durch Zufälle. Das ist direkt falsch, bedeutet aber nicht zugleich, dass deswegen dem Schöpfungsmythos der Bibel eine sachliche Grundlage zukommt.
Also: die Theorie sagt nur, dass sich die Arten entwickelt haben, indem mehrere Varianten an Nachkommen erzeugt werden – also nicht-identische Nachkommen. Die natürlichen Umgebungsbedingungen bevorzugen über Hunderte von Generationen diejenigen Nach-Nachkommen, die am häufigsten erfolgreich waren. Auf diese Weise setzen sich Arten durch, die den Umgebungsbedingungen am besten angepasst waren.
Die Entstehung der Varianten liegt eine äußerst komplexe Vererbung zugrunde, deren Mechanismen man nur in groben Zügen kennt, über unvollständige Verdauung von Fremd-DNA, den Einbau von Gensequenzen durch Viren bis hin zur Rückwirkung von Lebensumständen auf das Erbgut. Die Prozesse sind äußerst vielfältig und damit in einer gewissen Weise zufällig.
Die Entstehung des Lebens ist damit keineswegs beantwortet. Man weiß nur, dass dessen Grundbausteine allenthalben von selbst entstehen – auch heute noch (und heute mit Freude von Bakterien und Kleinlebewesen gefressen werden). In der Urzeit hatten sie aber Zeit, sich mit Membranen, die an vulkanischen Gesteinen des Meeres entstehen zu vereinigen.
Wie dies genau abgelaufen ist, weiß man aber nicht. Zumindest habe ich darüber nichts gelesen.
Da sich dies alles auf der Sachebene abspielt, sagt es zur Wert- und Sinnvorstellung des Menschen absolut gar nichts. Immerhin könnte die Schöpferkraft in diesen Selbstorganisationsprozessen gesehen werden. Wie Gott arbeitet, darüber sagt die Bibel nur: ES WARD.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard