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Nikolaus v. Myra (Hl)
#1
(Text in Arbeit)

Nikolaus v. Myra (Hl)

Gedenktag ist der 6.12.; Gedenktag zur Überführung der Gebeine nach Bari ist der 9.5.

Quellen zu einem historischen Nikolaus von Myra sind nicht vorhanden.

Die ältesten literarischen Zeugnisse, die später mit Nikolaus von Myra in Verbindung gebracht wurden, sind der Bericht über das Leben und die Taten des Abtes (und späteren Bischofs von Pinara) Nikolaus von Sion († 10.12.564, Vita Nicolai Sionitae) und die "Prãxis de stratelatis"-Erzählung1 aus dem 6. Jahrhundert.

Die "Vita des Heiligen Nikolaus von Myra" ist also eine Kompilation von mindesten zwei Personen, von denen nur eine einen realgeschichtlichen Hintergrund hat.

Der früheste umfassende Bericht zum Leben des Heiligen entstand im 9. Jahrhundert. Es handelt sich um die sogenannte "Vita per Michaelem"2, die nach übereinstimmender Meinung der einschlägigen Fachgelehrtenschaft irgendwann zwischen 814 und 842 niedergeschrieben wurde. Wie wenig es sich bei diesem Lebensbericht um historische Fakten handelt, darüber gibt der Bericht selbst Auskunft. Im zweiten Absatz wird festgestellt, dass zum heiligen Nikolaus, abgesehen von der Erzählung über die drei zu Unrecht des Verrats beschuldigten Offiziere, so gut wie nichts bekannt ist.

Zahlreich hingegen sind die frommen Erzählungen, die sich um Leben und Wirken des Heiligen ranken. Geboren soll er etwa 270 in Patara in ↗Lykien geworden sein. Schon als Säugling habe er sich ab dem dritten Tag nach seiner Geburt geweigert, die Mutterbrust mittwochs und freitags öfter als einmal täglich zu nehmen, und das auch nur zu den von der Kirche an Fasttagen als Essenszeit vorgegebenen Abendstunden. In einer späteren Fassung der Wundererzählung hat er dann überhaupt nur einmal am Tag Milch genommen, und zwar ausschließlich von der rechten Brust.

Jugendwunder (wunderbares Lernen, Heilung der Nonna durch den Knaben) wurden der Vita Nicolaos Sionitae entnommen und auf Nikolaus von Myra übertragen.

Unter ↗Diokletian3 soll er verfolgt worden sein, unter ↗Konstantin am ↗Ersten Konzil von Nicäa teilgenommen haben. Beim ↗Konzil soll er gegen ↗Arius aufgetreten sein und diesen im Streit über ↗Trinitätsfragen geohrfeigt haben.

Viele Erzählungen, die im Laufe der Jahrhunderte um seine Person entstanden sind, wurden in der ↗Legenda Aurea zusammengefasst. Die wohl bekannteste ist die, wonach er drei Jungfrauen, Töchtern eines verarmten Patriziers, Goldgeschenke macht (in späteren Fassungen: drei Goldklumpen schenkt), um sie so vor Unzucht zu bewahren, zumal sie nach dem Willen des Vaters den Unterhalt der Familie (und ihre Aussteuer) durch ↗Prostitution hätten verdienen sollen. Drei Goldklumpen (drei goldene Kugeln auf einem Buch) sind auch das häufigste Attribut, das in Nikolausdarstellungen vorzufinden ist. Andere häufige Attribute sind: drei Brote (Erzählung von der wunderbaren Kornvermehrung), drei Schüler (Erzählung von der Auferweckung der Schüler, die von einem habgierigen Herbergsbesitzer ermordet und eingepökelt worden waren).

Über die Legenda Aurea wurde auch die Erzählung populär, wonach sich ↗Artemis an dem heiligen Mann, der einst ihren Kult bekämpft hatte, durch Schändung seines Grabes rächen wollte.

Häufig sind auch Darstellungen des heiligen Nikolaus anzutreffen, die ihn in der Funktion als ↗Nothelfer zeigen (Rettung der Schiffbrüchigen, Beistand für Unschuldige vor Gericht, uam.).

Nikolaus ist ein spät zu Ehren gekommener Heiliger. Vor dem 6. Jahrhundert war er, wenn überhaupt, von lokaler Bedeutung. Ab dem 6. Jahrhundert ist die Nikolausverehrung neben Lykien auch für ↗Konstantinopel4 belegt.

Erzählungen über die Teilnahme Nikolaus‘ am Ersten Konzil von Nicäa sind nicht historisch. In keiner der überlieferten frühen koptischen, syrischen und armenischen Teilnehmerlisten zum Konzil scheint ein Bischof von Myra auf, weder ein Nikolaus noch ein anderer. Als einziger lykischer Teilnehmer am Konzil ist dort ein Bischof Eudemos von Patara5 vermerkt.

Die Listen, die Nikolaus als Konzilsteilnehmer bestätigen (das sind zwei griechische und eine arabische), sind erst ab dem 10. Jahrhundert entstanden bzw. entsprechend ergänzt worden.

Durch die Vermählung ↗Ottos II. mit der byzantinischen Prinzessin ↗Theophanu (10. Jh) wurde Nikolaus von Myra zum Hausheiligen der Ottonen und damit auch im Westen bekannt. Zuvor war er im Westen nur in Gebieten mit byzantinisch geprägter Kirchenverwaltung, vornehmlich in einigen Landstrichen Süditaliens und in ↗Ravenna gegenwärtig. Im Osten hingegen war er im 9. Jahrhundert (nach ↗Maria) schon zum meistverehrten Heiligen, zum Hyperhagios, geworden.

Der Heilige und seine Taten waren bald auch im Westen so berühmt, dass sich Männer aus ↗Bari aufmachten, um die Gebeine des Heiligen nach Italien zu holen. Welche Knochen sie auch immer aus dem Grab in Myra mitnahmen, sie wurden 1087 nach Bari gebracht. Als Tag der Translation gilt der 9.5.1087. Das Fest wird in Bari bis heute (vom 7. bis 9.5.) mit großem Aufwand begangen.

Auch die ↗Venezianer hatten die Absicht, die Gebeine des Heiligen zu stehlen. Hatten sie ihm doch schon 1043 auf dem Lido eine Kirche und ein ↗Kloster eingerichtet. Die Männer aus Bari waren ihnen zuvorgekommen. Die Venetianer nahmen das nicht zur Kenntnis und richteten ihrerseits eine Expedition zur Hebung der heiligen Gebeine aus. Die Expedition fand um 1100 statt (Anrich 1, 435). 1116 wurde dazu von einem Mönch aus dem Lido-Kloster ein Bericht verfasst. Außerordentlich erfolgreich sollen die Venetianer gewesen sein. Neben den Überresten des hl. Nikolaus‘ wollen sie auch die seines Onkels und Vorgängers im Bischofsamt, ebenfalls mit Namen Nikolaus, und die Gebeine des Märtyrers Theodoros gefunden haben. Die geschilderten Begebenheiten, die erst 16 Jahre nach dem Ereignis niedergeschrieben wurden, sind allesamt erfunden worden (Anrich 2, 521). Der Anspruch der Venezianer, die wahren Besitzer der heiligen Gebeine zu sein, konnte sich nicht durchsetzen. Bald war sowohl im Westen als auch im Osten Bari als Grabstätte des Heiligen Nikolaus von Myra anerkannt.

Als Geschenkebringer für Kinder ist der heilige Nikolaus ab dem 16. Jahrhundert bekannt. Ab dem 17. Jahrhundert hat er einen strafenden Begleiter (Knecht Ruprecht, Krampus, Klaubauf, Pelznickel, Wilder Jäger, Bartl, Percht, usw.) an seiner Seite. Damit wurden in das katholische Nikolausfest heidnische Bräuche der ↗Rauhnächtezeit (auch Raunächte oder Rauchnächte) eingebunden (Beitl 601f.).

In protestantischen Ländern wurde das Nikolausfest überwiegend abgelehnt. Die Beschenkung der Kinder wurde auf den ↗Weihnachtsabend oder den ↗Christtag verlegt, als Geschenkebringer wurde der Nikolaus zum ↗Weihnachtsmann (Beitl 600).

Der katholischen Welt blieb das Nikolausfest zwar erhalten, doch gewann auch in dieser der Weihnachtsabend (bzw. der Christtag) als Tag gegenseitiger Beschenkung und der Bescherung für Kinder Bedeutung. Nur war bei den Katholiken nicht der Weihnachtsmann, sondern das (weiblich gedachte) ↗Christkind verantwortlich.

Mit niederländischen Auswanderern kam der heilige Nikolaus als Sinterklaas (also schon in der Figur des Weihnachtsmanns) nach Amerika. Dort wurde er als Santa Claus nach und nach zur Karikatur. Zunächst diente er ab 1915 dem Mineralwasserabfüller White Rock und ab 1920 Coca Cola zu Werbezwecken. Für die weltweite Verbreitung der heute bekannten Figur sorgte Coca Cola ab 1931.


1) Prãxis de stratelatis = Erzählung über drei Offiziere aus der Umgebung des Kaisers, die zu Unrecht des Verrats beschuldigt, zum Tode verurteilt und durch den Heiligen Nikolaus gerettet werden.
Prãxis (πρᾶξις) = Tat, Handlung
Stratelaten (στρατηλάτης) = Befehlshaber; hohe Offiziere der kaiserlichen Leibwache
Der historische Kern des Berichts war wohl eine Verschwörung gegen Kaiser ↗Justinian im Jahre 549 gewesen. Im Zusammenhang mit dieser Verschwörung wurde auch ein Neffe des Kaisers, Germanos, angeklagt und freigesprochen. Die Erzählung, die wohl frühestens in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts entstanden war, wurde in frommer Absicht auf die christliche Überperson Konstantin projiziert.
2) Die Vita per Michaelem ist irgendwann zwischen 814 und 842, in der Zeit des zweiten Bildersturms, wahrscheinlicher zwischen 832 und 842, entstanden. Eine Bemerkung, der Heilige möge Beschlüsse der Gottlosen (gemeint sind ↗Leon V. und ↗Theophilos, Erlass von 832, die letztmals das Bilderverbot mit aller Härte durchzusetzen versuchten) aufheben und den Verleumdungen entgegentreten, bekräftigen diese Vermutung. 

Inhalt:
Nikolaus wird von der Mutter ohne Schmerzen geboren. Schon als Säugling hält er die kirchlichen Fastenzeiten ein. Als Kind und junger Mann lebt er tugendsam und wird Priester. Das elterliche Erbe verteilt er großzügig. Als sein Onkel, der Bischof von Myra, stirbt, wird Nikolaus auf wunderbare Weise zum neuen Bischof gewählt. Er wirkt gegen ↗Götzen und ↗Dämonen, reißt den Artemistempel in Myra bis auf die Grundmauern nieder (der allerdings schon im Jahre 141 durch ein Erdbeben zerstört worden war) und vertreibt die dort ansässigen Dämonen. Die Rettung der drei Offiziere wird erwähnt aber nicht weiter erläutert (der Inhalt der Prãxis de stratelatis wird als bekannt vorausgesetzt). Ein in Seenot geratenes Schiff und deren Besatzung rettet er vor dem Untergang, die Menschen seiner Stadt vor dem Verhungern. Nach seinem Tod fließt angenehm duftendes, wunderwirkendes Öl aus seinem Körper. Einen Anschlag der Artemis auf seine Grabstätte vereitelt er.

3) festgehalten in der Metaphrasten-Vita aus der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts (Anrich 2, 124)
4) Prokop. De aedificiis I. 6 (https://www.gutenberg.org/files/65404/65...5404-h.htm,  Zugriff vom 20.11.2023, 13:50)
5) Friedrich Hild. Lykien in den notitiae Episkopatuum. (in: Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 54. Band 2004, 1-17, S. 2 . Österr. Akad. d. Wissenschaften).



Literatur:
Gustav Anrich. Hagios Nicoleios. 2 Bde. 1913/1917 Leipzig/Berlin. Teubner Verlag.
Richard Beitl. Wörterbuch der deutschen Volkskunde. 31974 Stuttgart. Alfred Kröner Verlag.
Manfred Becker-Huberti. Lexikon der Bräuche und Feste. 42007 Freiburg/Basel/Wien. Herder Verlag.
Jacobus de Voragine. Die Legenda Aurea. Übers. Richard Benz. 131999. Gütersloh. Gütersloher Verlagshaus. 



● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
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