02-09-2012, 20:33
(02-09-2012, 19:31)Ekkard schrieb: @schmalhans
Eine Wurzel unserer Kultur ist die Bibel, eine andere "römisches Recht" sowie eine Reihe von Philosophien und die "Aufklärung". Dass unsere Kultur nichts mit der Hl. Schrift zu tun hätte, ist eine etwas schmalspurige Sichtweise.
Das ist genau das, was ich sage - unsere Kultur ruht auf vielen Säulen. Tradition - insbesondere religiös begründete - steht der Entwicklung von Kultur entgegen, bremst sie aus. Nicht Schriften begründen Kulturen, sondern Menschen.
(02-09-2012, 19:31)Ekkard schrieb:schmalhans schrieb:Kultur ist das wandelbarste, das der Mensch geschaffen hat - Tradition und Religion stehen der Entwicklung der menschlichen Kultur meist im Wege und erlauben keinen Aufbruch.Nä! Ich denke, hier liegt bestenfalls ein "christlicher" Irrtum vor. Soviel mir berichtet wurde, ist im Judentum das, was wir als Altes Testament kennen, nur die schriftliche Tradition, die umgeben ist von einer sehr viel breiteren "mündlichen Tradition". Und die ist seit Alters her in stetem Wandel.
Wie "wandelbar" das Judentum ist, sehen wir aktuell ja an der Beschneidungsdebatte ... Das Reformjudentum hat schon seit Jahrzehnten einen Maulkorb verpasst bekommen (an den es sich natürlich nicht hält).
(02-09-2012, 19:31)Ekkard schrieb: Anders im Christentum. Hier hat sich die Bibel verselbständigt, ist zu einer Wortwaffe gegen (oder für) alles Mögliche geworden vor allem zum Instrument des Herrschens - und das musste wegen der Konservierung der Herrschaftsstrukturen "unwandelbar" gehalten werden. Eine Reformbewegung z. B. der Luthers war dadurch undenkbar geworden. Im Judentum, das kann man sogar in der Bibel finden, hat es immer diverese und divergierende "Bewegungen" gegeben.
Und warum hat dann ausgerechnet das Christentum Hunderte Sekten hervorgebracht?
(02-09-2012, 19:31)Ekkard schrieb: ("Psychosozialer Hintergrund" = Gesellschaftliche Bedingungen, die unser Gefühl ansprechen z. B. Gefühl für das, was man tut oder besser lässt, wie man sich in der Gesellschaft zurecht findet, wieweit man sich mit ihr identifizieren kann bzw. in Opposition zu ihr verharrt, oder wieweit man motiviert ist, mitzuarbeiten oder sich zu verweigern.)
Dieser Gedankengang ist mir nicht nur völlig fremd, ich finde ihr sogar schrecklich - die Vorstellung, für ein gesellschaftliches Engagement sei die Gefühlswelt eines Menschen zuständig und also unabhängig von persönlichen Überzeugungen, lässt meine Fußnägel hochrollen.
(02-09-2012, 19:31)Ekkard schrieb: Ob "heilige Schriften" konservieren und damit eine Revolte provozieren oder nicht, hängt davon ab, welche Aufgabe die Gesellschaft ihnen zuweist. Die Staatsdoktrin des Mittelalters bis in die Neuzeit hinein lautete auf Stabilisierung der "Staatsreligion". Und entsprechen wurde die Hl. Schrift "angewendet" (oder auch durch selektive Auswahl und Interpretation verbogen).
Wohl kaum. Dies einzig und allein im Ermessen des Individuums oder einer Gruppe und nicht der Gesellschaft oder gar des Staates. Wie wäre sonst die Reformation möglich gewesen?
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)