(21-01-2019, 01:09)Ekkard schrieb: [ -> ] (20-01-2019, 17:57)Holmes schrieb: [ -> ]... ich versuche zu erklären, dass es widersprüchlich ist zu behaupten, dass aus deskriptiver naturwissenschaftlicher Beschreibung keine normativen Aussagen geformt werden können, weil die Voraussetzungen von Hume falsch sind.
Nehmen wir Letzteres einmal als gegeben hin! In diesem Fall ist die Feststellung Humes lediglich offen. Jedoch muss deshalb ihr Gegenteil nicht korrekt sein.
Was also bleibt, abgesehen davon, dass methodische "Beschreibung" nicht selbst schon "Bewertung" ist.
Wir kommen damit zu einer Gesamtschau auf die Menschheit, quasi vom Weltall aus gesehen. Das gesamte gesellschaftliche Geschehen ist in diesem Fall Gegenstand naturwissenschaftlicher Beschreibung. Also werden auch die diversen weltanschaulichen Vorstellungen in die Beschreibung einbezogen. (Alle Vorstellungswelten werden anteilmäßig mit ihren Wirkungen z. B. auf Zufriedenheit, Fortpflanzungserfolg, Ressourcenverbrauch, .... beschrieben = Deskriptoren, was wie oft vertreten, wie oft angewandt mit welchen Erfolgen.)
Sagen wir, das steht alles in einer dicken Studie.
Bist du sicher, dass es darin ein stringentes Optimum ganz bestimmter Verhaltensweisen gibt, die man dann als "moralisch" bezeichnen kann? Vor allem, wer vollzieht diesen Schritt, welche Autorität? Und könnte diese Autorität nicht auch ein Nebenoptimum aussuchen?
Richtig ist sicherlich, dass sich in Vorstellungen von Moral historische Lerneffekte abbilden hinstichtlich dessen, was sich für uns Menschen als angenehmer, sicherer, nützlicher usw. anfühlt. Dazu ist aber ein Kollektiv (welcher Größe, gar die gesamte Menschheit?) erforderlich. Und ist das dann immer noch eine methodisch-naturwissenschaftliche Beschreibung?
Ich muss sagen, dass ich der Vermischung deskriptiver Beschreibung mit normativen Vorstellungen nichts abgewinnen kann. Allzu leicht fließen normative Vorstellungen in das Beschriebene ein - meist in der Form, dass die Beschreibung selektiv erfolgt.
(20-01-2019, 17:57)Holmes schrieb: [ -> ]Es macht auch keinen Sinn zwischen deskriptiver Wissenschaft und normativer Wissenschaft zu unterscheiden, weil es keine normative Wissenschaft gibt in dieser Weltsicht.
Eben! Deswegen ist alles Normative auch keine Wissenschaft, sondern Ausfluss und Folge gesellschaftlicher Vorgänge. Und die sind größtenteils volatil, wenn nicht sogar irrational. Das heißt, unsere "dicke Studie" ist bestenfalls eine Momentaufnahme der menschlichen Befindlichkeit mit regionalen Unterschieden.
(20-01-2019, 17:57)Holmes schrieb: [ -> ]Das Fragen nach dem "sollen" ist auch komplett unnötig, wenn wir von einem materialistischen Weltbild ausgehen.
Dem stimme ich keineswegs zu. Wir brauchten keine Gesetze, wenn die Frage nach dem Sollen unnötig wäre.
Wie oben gefragt: Bist du über alle Zeiten und Situationen hinweg sicher, dass die "dicke Studie" nur ein optimales und damit moralisches Verhalten anzeigt?
(20-01-2019, 17:57)Holmes schrieb: [ -> ]Ich sage wenn die Naturwissenschaft keine normativen Aussagen
ableiten kann, dann kann es erst recht keine andere Wissenschaft ...
Ganz recht!
(20-01-2019, 17:57)Holmes schrieb: [ -> ]... und mit Sicherheit keine Gesellschaftskonventionen, denn alles worauf man sich doch einigt endet in einem ideologischen Absolutheitsanspruch der keinen Sinn macht.
Nein, unser Rechtsstaat ist das beste Gegenbeispiel. Gesetze werden in jüngerer Zeit mit einem Verfallsdatum beschlossen. Ändern sich die (gesellschaftlichen) Verhältnisse, müssen sie angepasst werden. Absolutheitsansprüche folgen vielfach aus religiösen Vorstellungen.
Das Beispiel mit der Menschenwürde habe ich nicht verstanden; aber da bin ich nicht allein.
Ich stimme den meisten deiner Aussagen voll und ganz zu, aber dem Kern der Aussagen, kann ich nichts abgewinnen.
Die Dicke Studie, wie du sie hier beschreibst, soll ja eben keine Momentaufnahme sein, sondern soll sich natürlich den kommenden Momenten anpassen können. Natürlich wird man kein absolutes Optimum finden, sondern nur eine Annäherung, aber das ist doch auch gar nicht das Ziel, sondern das Ziel ist, aus meiner Sichtweise, dass man die best
möglichen Bedingungen finden sollte. Die bestmöglichen Bedingungen findet man aber nicht in Gesellschaftskonventionen, sondern die findet man eben in den Naturwissenschaften.
Du stellst dir das auch ein wenig zu weltanschaulich vor, denn eine Autorität gibt es in dieser Beschreibung nicht, wenn man als Beispiel die Arterhaltung nimmt, dann wird die "Dicke Studie" natürlich keine Wahl haben. Entweder es dient der Arterhaltung oder es dient ihr eben nicht. Wir können das Beispiel auch noch weiter abstrahieren und die Klimaziele nehmen, denn um diese zu erreichen gibt es eben einen richtigen und einen falschen Weg. Stellen wir uns die Gesellschaft als Unternehmen vor, dass sich das Ziel setzt die Klimaziele zu erreichen, dann wird klar, dass es naturwissenschaftliche Antworten darauf gibt, die man untersuchen kann. In diesem Beispiel gibt es zwar eine Autorität in dem Sinne, dass jemand sich die Klimaziele als zu erreichenden Wert setzen muss, aber in der Beantwortung der Frage gibt es keine Autorität.
Die Autorität die uns darauf abgestimmt hat, dass wir uns selbst erhalten wollen, sind dann wohl die natürlichen Gegebenheiten, sie geben uns sozusagen ein Klimaziel vor, auf das wir uns konzentrieren sollten, wenn wir ein Ergebnis erreichen wollen, dass dem nicht entgegen strebt.
Natürlich wird es bei den Klimazielen keine absolut richtige Antwort geben und man könnte sich die Frage stellen welche Strategie man verfolgen sollte um dieses Ziel zu erreichen, aber immerhin kann man nun Strategien entwickeln, die zu einer best
möglichen Lösung führen
können. Hat man nun verschiedene Strategien für die Klimaziele müsste man nur noch die Erfolgswahrscheinlichkeit der Strategie berechnen und diese natürlich wieder naturwissenschaftlich ermitteln. Dabei wird man natürlich wieder Fehler machen und zu keinem perfekten Ergebnis kommen, aber man kommt wenigstens zu einem Ergebnis, dass viele weltanschauliche Fehler verhindert und nicht von einer Gesellschaftskonvention abhängen muss. Ich habe lieber einen Messfehler in der Berechnung und der Methode, als einen ideologischen Fehler, der nicht zu rechtfertigen ist, denn einen Mess- bzw. Methodenfehler kann man Rechtfertigen, aber für einen ideologischen Fehler sehe ich keine Rechtfertigung, wenn man diese Methode als andere Möglichkeit hat.
Jetzt könntest du mich natürlich Fragen ob sich nicht bei der Strategieentscheidung weltanschauliche Elemente verstecken könnten, aber diese können sich auch bei Strategieentscheidungen in der Naturwissenschaft herauskristallisieren, denn Forschungsziele sind eben auch anfällig für solche und eine andere Möglichkeit als zu probieren und zu verbessern haben wir eben nicht. Ich denke du hast mir das auch schon klar gemacht in einer anderen Unterhaltung. Die naturwissenschaftlichen Axiome sind eben von den Gegebenheiten abhängig, also von den Rahmenbedingungen die eben in dieser Welt gegeben sind und diese Gegebenheiten passen sich dem jeweiligen Wissensstand an.
"
Naturwissenschaften stellen Hypothesen zu einem Sachzusammenhang (einem Verhalten) auf und testen diese durch Versuch und Irrtum. Diese Vorgehensweise heißt "empirisch". Die Natur bestätigt oder widerlegt die Hypothese. Eine Hypothese, deren Details unter gewissen Rahmenbedingungen immer wieder bestätigt wird, wird als Theorie bezeichnet. Sie gilt aber eben nur unter den Rahmenbedingungen. Verlässt man diese, gilt auch die Theorie nicht mehr.
Messdaten und Theorie sind Erkenntnisse der empirischen Wissenschaften, Ekkard"
Unsere Entscheidungen hängen also natürlich von unserem jeweiligen Entwicklungsstand ab, aber das ist ja kein Problem, denn solange dieser Entwicklungsstand nicht von unseren Entscheidungen abhängt, sondern von den Rahmenbedingungen die uns die Natur liefert, haben wir kein Problem und genau deswegen sollen auch menschliche "Rahmenbedingungen" nicht von Gesellschaftskonventionen abhängen, sondern diese soll die Natur uns liefern.