Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Christi Geburt
#1
Im frühen ↗Christentum war man am ↗Geburtstag Christi nicht interessiert, weder an dem Tag, an dem das Ereignis möglicherweise stattgefunden haben könnte, noch an einem Fest, das diesem Tag zu Ehren hätte begangen werden sollen.

Geburtstage wurden in der römischen ↗Antike als Festtag der Gottheit (↗genius natalis bei Männern, ↗Juno bei Frauen), die bei der Geburt der jeweiligen Person zur Seite stand und sie durchs Leben begleitet, gefeiert. Für Christen also ein abzulehnender, weil heidnischer Brauch.

In den ältesten Texten des ↗Neuen Testaments spielt die Geburt Christi daher keine Rolle. ↗Paulus ist dieser Umstand keine Zeile wert, für ↗Markus kommt Christus mit der Taufe Jesu im ↗Jordan in die Welt.

Erst rund 80 Jahre nach Christi Geburt nahmen die Evangelisten ↗Matthäus und ↗Lukas von diesem Ereignis Notiz. Beiden lag daran, das Geschehen in seiner heilsgeschichtlichen Bedeutung zu würdigen. Es zeitlich genau zu bestimmen, war nicht ihre Absicht. Daher liegen die ungefähren Angaben der beiden, wann denn die Geburt des Christuskindes stattgefunden haben könnte, gut zehn Jahre auseinander. Während Matthäus meint, ↗Herodes der Große (gest. 4 vC) habe, wie es die ↗Bethlehemer Kindermord-Geschichte voraussetzt, zu Christi Geburt noch gelebt, bringt Lukas das Ereignis mit einer "Volkszählung" (↗Zensus) unter ↗Augustus in Zusammenhang. Ein Provinzialzensus ist durch ↗Josephus bestätigt und hat im Jahre 6/7 nC stattgefunden (Ant. XVII, 13, 5; XVIII, 1.2; XX, 5, 2; Bell. Jud. VII, 8, 1). Mit dem von Lukas erwähnten Herodes, ist ↗Herodes Archelaos gemeint, der 6 nC von Augustus als ↗Ethnarch von ↗Judäa abgesetzt worden war. Sein Herrschaftsgebiet wurde der Provinz ↗Syria einverleibt. Nach Neuschaffungen oder Erweiterungen von Provinzen wurde ein Provinzialzensus1 verfügt, um kopfsteuerpflichtige Untertanen zu erfassen. Zur gegebenen Zeit war Publius Sulpicius Quirinius Statthalter von Syria gewesen.

Wie kam es aber, dass der 25.12. zum Geburtstag Christi wurde?

Als Licht- und Lebensspender genoss die ↗Sonne in nahezu allen alten Kulturen göttliche Verehrung. ↗Schamasch, ↗Re, ↗Helios, ↗Apollon, ↗Mithras heißen einige der Götter, die die Sonne personifizierten oder mit ihr in Verbindung gebracht wurden. Auch bei den Römern genoss der Sonnengott schon in frühester Zeit hohes Ansehen. Eine der ältesten Kultstätten in Rom auf dem Quirinal dem war dem Sol Indiges, dem "einheimischen Sol", dem Sol der Väter also, geweiht.

Gerne schmeichelte man mächtigen Herrschern, indem man sie mit den Göttern in Verbindung brachte.

Die Geburtslegende des Augustus berichtet von der Zeugung des späteren Kaisers durch Gott Apollon (Cass.Dio 45,2). Eine der Bethlehemer Kindermorderzählung vergleichbare Geschichte lässt sich im Geburtsmythos des Augustus ebenfalls wiederfinden (Suet. Aug. 94,3).

Auch nachfolgende Kaiser ließen sich gerne mit Apollon (oder Sol) vergleichen (vgl. Bazso 95f.).

Zahlreich sind römische Münzen auf uns gekommen, die die Herrschenden mit dem Strahlenkranz des Sonnengottes zeigen und sie so in seine Nähe rückten. Politische Botschaften dieser Art wurden von den Kaisern durchgängig bis in die Zeit ↗Konstantins vermittelt.

↗Aurelian führte die Verehrung des ↗Sol invictus als Reichsgott ein. Dem Gott wurde in ↗Rom ein prächtiger Tempel gebaut und 274 geweiht. Er erhielt die Titel conservator Augusti und dominus imperii Romani. Von nun ab genoss er auch im Rahmen des ↗Kaiserkults besondere Verehrung. Der Geburtstag des Gottes wurde mit 25.12. angenommen2. An diesem Tag wurde seine ↗Epiphanie in der Person des Kaisers gefeiert und als hoher Staatsfeiertag (dies natalis solis invicti) begangen. Von Christen musste eine solche Geburtstagsfeier als ungeheuerliche Anmaßung empfunden worden sein.

Auch Konstantin ist auf Goldmünzen als Sonnengott, als den ihn die Münzlegende ausweist (SOLI INVICTO AETERNO AVG(usto)), abgebildet (vgl. Giradet 41).

Die Neigung zum paganen Monotheismus in Form einer Sonnenfrömmigkeit war in der gebildeten römischen Gesellschaft der Spätantike vorhanden. Auch bei Konstantin. Für ihn war diese zunächst innig mit Apollon verbunden3. Der Zeitpunkt, zu dem Apollon Sol invictus für Konstantin zu invictus Christus und Sol Iustitiae4 wurde, lässt sich nicht genau festmachen. Es wird wohl etwa 311/312 gewesen sein. Allerdings spielte in der Münzprägung unter Konstantin Sol invictus noch bis 323 eine Rolle5.

Auf dem Totenbett hat Konstantin die ↗Taufe erbeten. So erzählt es Eusebius in der Vita Constantini (Eus. v.Const. 4, 61-63). Geschichten um die Taufe Konstantins sind ↗Legende. Möglicherweise auch die des Eusebius'6.

Gegen Ende der Regierungszeit Konstantins (336) findet sich in einer Märtyrerliste ein Vermerk: Christus wurde am 25. Dezember (viii kal Ian) in Bethlehem geboren7.



1) Dass ein Reichszensus durchgeführt worden wäre, wie Lukas meint (also "die ganze Welt" gezählt worden wäre), ist auszuschließen. Die einzige Reichsweite Steuererhebung der gesamten römischen Kaiserzeit hat 74/75 nC stattgefunden. Möglicherweise hatte Lukas bei der Niederschrift seines Evangeliums diese vor Augen. 


2) Im ↗Julianischen Kalender war der 25.12. als Tag der ↗Wintersonnenwende vermerkt.

3) Ob Konstantins Begegnung mit Apollon als Sonnengott in seiner Wahrnehmung tatsächlich stattgefunden (Panegyrici Latini 6 [7] 21,5-6) hat oder ob sie aus machtpolitischen Gründen erfunden worden war, lässt sich nicht sagen (vgl. Clauss 306). Fest steht jedenfalls, dass er überzeugt war, dieser, sein Gott, habe ihn an der Milvischen Brücke siegen lassen und dass es sich bei ihm um denselben Gott handeln müsse, den die Christen anbeten. ↗Laktanz und ↗Eusebius haben die bekannten frommen Geschichten dazu erzählt.

4) In einem pseudo-cyprianischen Text aus dem 3. Jahrhundert (De Pascha Computus) findet sich die Behauptung, dass Christus, der doch die „Sonne der Gerechtigkeit“ sei, am Tage der Erschaffung der Sonne, also am 28. März, geboren worden sein müsse (vgl. Förster 25).

5) UniSpiegel, Universität Heidelberg: https://www.uni-heidelberg.de/presse/uni...weihn.html, Zugriff v. 12.12.2023, 12:55 Uhr.

6) Als sich die sogen. Konstantinische Schenkung als Fälschung herausgestellt hat, kamen auch Zweifel zu den Taufberichten, auch dem des Eusebius auf. Bis dahin hatte man die Berichte unkritisch zur Kenntnis genommen. Mehrheitlich folgten heute Fachgelehrte Eusebius in dieser Frage. Einige Althistoriker aber halten den Sachverhalt historisch für nicht zutreffend. Das ist auch meine Position in der Frage. Die Symbolik der anlässlich seiner Konsekration geprägten Münze ist so eindeutig heidnisch, dass es selbst Eusebius unterlassen hatte, die Darstellungen christlich zu deuten.

7) Vermerkt im ↗Kalenderhandbuch des Filokalus von 354. Zu der im Handbuch aufgenommenen Märtyrerliste (deposito martyrium) wird schlüssig dargelegt, dass sie in einer ersten Fassung schon 336 vorgelegen haben müsse (Divjak/Wischmeyer Bd 2, 499).


Literatur:
Hans Förster. Die Anfänge von Weihnachten und Epiphanias. 2007 Tübingen. Verlag Mohr Siebeck.
Klaus M. Girardet. Millennium Studien Bd 27. Der Kaiser und sein Gott. Das Christentum im Denken und in der Religionspolitik Konstantins des Großen. 2010 Berlin/New York. Verlag. Walter De Gruyer.
Mark Bazso. Propaganda und Staatskritik: Augustus und Nero im Vergleich. 2013 Diplomarbeit UNI Graz.
Johannes Divjak, Wolfgang Wischmeyer. Das Kalenderhandbuch von 354. Der Chronograph des Filocalus. 2 Bde. 2014 Wien- Verlag Holzhausen
Manfred Clauss. Ein neuer Gott für die alte Welt. 2015 Berlin. Rowohlt Verlag.



● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste