(02-09-2013, 20:14)Shila schrieb: [ -> ]Ich habe kein Problem aber ihr habt eines damit, zu akzeptieren, dass Natur und Leben zielgerichtet sind oder irre ich mich da?
Es gibt eine philosophische Fragestellung, die in der Tat das Problem dahinter anspricht: Wie können physikalische, chemische, biologische Prozesse, die letztlich der Thermodynamik unterliegen, der Entropie entgegenwirken?
In der Tat ist das nicht so ohne Weiteres zu verstehen, denn die Entropie nimmt in einem geschlossenen System stets zu, was bedeutet, dass ein System, sich selbst überlassen, die größtmögliche Unordnung anstrebt. Dies ist die "Wärmetod"-Hypothese des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Dann hat man lange Zeit darüber nichts mehr gehört oder gelesen, bis man "komplexe Systeme fernab vom Gleichgewicht" untersucht hat. Laienhaft ausgedrückt, regeln sich die Teilprozesse in solchen Systemen gegenseitig unter Nutzung von von außen zugeführter Energie (Sonnenstrahlung, Temperatur- und Konzentrationsgefälle). Und siehe da, in solchen Nicht-Gleichgewicht-Systemen nimmt die Entropie ab, allerdings auf Kosten z. B. der Sonne.
Lebende Organismen sind der schlagende Beweis, dass Nicht-Gleichgewichtssysteme sogar über nahezu astronomische Zeiten hinweg stabil sein können und dabei partiell immer komplexer werden. In diesen "lebenden Systemen" (Bakterien, Viren, Pflanzen, Pilze, Tiere) gibt es eine ständiges Auf und Ab von Komplexität. Es ist keineswegs so, dass die Komplexität immer zunimmt. Das erscheint uns nur so. Die Gesamtmasse beispielsweise der irdischen Bakterien übertrifft die Masse der wesentlich komplexeren Landtiere mit vier Beinen um ein enormes Vielfaches (ich erinnere mich leider nicht an die Zahl, aber 1000:1 dürfte nicht reichen).
(02-09-2013, 20:14)Shila schrieb: [ -> ]Ich komme überhaupt nicht dazu näher auf das Thema einzugehen, weil ständig nur negiert wird.
Letztlich hängst du der Gaia-These an. Die Biosphäre der Erde "verhalte" sich absichtsvoll und zielgerichtet. Ich denke, das haben alle schon verstanden.
Nur verzeihe und beachte jene Meinungen, die diese These nicht glauben, angesichts der biologischen Tatsachen unserer Welt. Einige habe ich oben erwähnt.
Es ergeben sich einfach Fragen, die einer Antwort harren:
- Welches Ziel soll Gaia haben? (Kriterien?)
- Oder, wenn nicht Ziel, welche Absichten? (höher, besser, weiter)?
- Was ist mit jenen Exemplaren, die mit Mängeln zur Welt kommen?
- Was ist mit Bakterien, die seit rund 1 000 Mio. Jahren unverändert mit einfachstem Genom auskommen?
- und eine riesige Masse lebender Substanz ausmachen?
Manches, was du behauptest, stimmt einfach nicht mit dem gegenwärtigen Kenntnisstand überein. Es gibt beispielsweise kein "besser, höher, weiter", sprich komplexer im Allgemeinen. In der Tat entwickeln sich einige wenige lebende Systeme hin zu komplexeren Strukturen. Aber warum?
Die Antwort ist im Grunde banal: Weil es der "ökologischen Nische" entspricht. Anderenfalls würde der Organismus nicht überleben.
Gaia müsste schon bewusst ökologische Nischen produzieren. Das wäre mir neu.
(02-09-2013, 20:14)Shila schrieb: [ -> ]Und ich bringe dir jetzt einen Beweis dafür, dass Natur und Leben zielgerichtet sind. Beides unterliegt dem beständigen Wandel, wird und vergeht. Was kann daran der letzendliche Sinn sein? Einstein ... Spinoza ...
Nun, das sind keine Beweise, sondern die Berufung auf Spinozas Philosophie aus der Sicht Einsteins.
Und wenn ich mal nur nehme, was du da zitiert hast: Dort geht es um die Ursache aller Dinge. Spinoza leitet daraus die Notwendigkeit einer Gott gleichen Kraft in allem ab. Wir stellen fest, dass hier die erste These die Wesentliche ist, nämlich dass "alle Dinge" eine gemeinsame Ursache haben sollten. Und da dies auf der normalen empirischen Ebene offensichtlich nicht stimmt, wird auf immer komplexere Ebenen geschielt, bis schließlich nur "der (göttliche) Geist" übrig bleibt.
Das aber ist ein bedenklicher Zirkelschluss. Es ist ja keineswegs erwiesen, dass eine wie auch immer geartete Grundkraft, die alles verursacht, überhaupt existiert. Also hängt alles Argumentieren, Abstrahieren und Verbinden (hier mit Gott) schlichtweg „in der (philosophischen) Luft“.
(02-09-2013, 20:14)Shila schrieb: [ -> ](Einstein: ) Diese Kräfte und Phänome sind überall inhärent und gestalten somit von innen heraus (auch wenn Wissenschaft es von außen , also objektiv beschreibt). So betrachtet ist alles Universum und Leben oder die Natur im Zusammenhang zu sehen, …
Das aber ist eine aufgesetzte Deutung, die das beobachtende Subjekt – hier der Mensch – in die Naturbetrachtung hinein trägt. Wie gesagt, diese Betrachtung mag plausibel erscheinen, beruht aber auf dem o. a. Zirkelschluss.
(02-09-2013, 20:14)Shila schrieb: [ -> ]…, wobei sich zwangsläufig Zielgerichtetheit erkennen lässt.
Nein, ganz bestimmt nicht! Es mag sogar so sein, dass wir einschließlich unserer intellektuellen Fähigkeiten mit der Natur verbunden sind, ja, dass eine göttliche Kraft für all das verantwortlich ist. Gleichwohl bedeutet unsere Augenblickssituation nur eine Momentaufnahme, die nicht notwendigerweise eine oder eine bestimmte Fortsetzung haben muss. Wenn uns nicht gerade ein Meteorit zerschmettert, kann sich die Welt ganz anders entwickeln als bisher. Es spricht absolut nichts dagegen, außer der „göttlichen Kraft“, die aber auf einem Zirkelschluss beruht.
Inhalte von Zirkelschlüssen kann man zwar als Postulate einführen. Aber dies würde nicht zwingend auf die Natur einwirken, wie du zu glauben scheinst. Sie wären bestenfalls nützlich, wenn sie unser Verhalten der Biosphäre gegenüber verbessern würden. Aber tut das der Glaube an eine „göttliche Grundkraft“. Ich glaube nicht!